From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Wed Mar 1 07:47:44 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Wed, 1 Mar 2006 08:47:44 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <4402F364.11996.34CB42@localhost> Message-ID: > sehr erwägenswert, aber ich selber hatte mich bei den > Unsp-Kategorien gerade in die umgekehrte Richtung entschieden: > Unsp, wenn die Kriterien sämtlich zutreffen. Empirische Motivation für meinen Vorschlag waren u. a. unflektierte Adjektivformen wie _rosa_1 auf der einen Seite und _blau_1 auf der anderen Seite: _rosa_1 kann sowohl prädikativ als auch attributiv verwendet werden, _blau_1 hingegen nur prädikativ. Dieser Unterschied sollte sich aus dem Lexikon ergeben. Angenommen, man kategorisiert prädikative Adjektivformen wie bisher mit Hilfe von Unspezifiziertheits-Kategorien. Dann bekommen wir als Kategorisierung von _blau_1 und _rosa_1 im Hinblick auf deren prädikative Verwendung: (1) {Unsp-Kas, Unsp-Nf-Num, Unsp-Gen, Unsp-Schw, Adj} Würde man nun, wie Sie vorschlagen, Unspezifiziertheits-Kategorien als 'Sowohl ... als auch-Kategorien' interpretieren, so wäre (1) ebenfalls die Kategorisierung von _rosa_1 im Hinblick auf seine attributive Verwendung. Wenn man hingegen meinem Vorschlag folgt, Unspezifiziertheits-Kategorien ausschließlich als 'Weder ... noch-Kategorien' zu interpretieren, dann würde man _rosa_1 -- im Unterschied zu _blau_1 -- neben (1) weitere Kategorisierungen zuordnen, die durch die attributive Verwendbarkeit von _rosa_1 gerechtfertigt sind: (2) a. {Nom, Sg-Nf, Mask, St, Adj} b. {Nom, Sg-Nf, Mask, Schw, Adj} c. {Nom, Sg-Nf, Fem, St, Adj} d. {Nom, Pl-Nf, Mask, St, Adj} e. {Akk, Sg-Nf, Mask, St, Adj} ... Dieser Synkretismus führt, soweit ich sehe, empirisch zu keinem Problem. Insbesondere folgt daraus nicht, dass das entsprechende Adjektiv _rosa_W mehrere Formen _rosa_1 hätte. > Problem > bei Ihrem Vorschlag: Was heißt Zugehörigkeit zu derselben > Klassifikation, wenn keines der Kriterien zutrifft?? Wie wird dann > die Basis der Klassifikation bestimmt, ohne daß man einen Haufen > von völlig irrelevantem Zeug mit einschließt? Eine Definition von "Unspezifiziertheits-Kategorie" im Sinn von 'Weder ... noch-Kategorie' kann ich im Augenblick leider auch nicht anbieten. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass bei der syntaktischen Analyse des Deutschen bis dato eindeutige 'Weder ... noch-Kategorien' angesetzt wurden, ohne dass dies für problematisch gehalten wurde: so zum Beispiel Unsp-Kas bei der Kategorisierung der prädikativen Adjektivformen und Unsp-Gen bei der Kategorisierung der nominalen Pluralformen. Mit besten Grüßen, Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From lieb at ZEDAT.FU-BERLIN.DE Thu Mar 2 23:37:21 2006 From: lieb at ZEDAT.FU-BERLIN.DE (Hans-Heinrich Lieb) Date: Fri, 3 Mar 2006 00:37:21 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <200603010847.45099.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Lieber Herr Nolda, herzlichen Dank für die Erläuterungen. Aber: Ich halte das Problem einer einwandfreien Definition von "Unsp" als Relationsterm für Weder-Noch- Kategorien für unüberwindlich. In der IL ist - auch bei mir - im Hinblick auf Weder-Noch und Sowohl-als-Auch bisher Schwanken festzustellen. Wenn aber die Sowohl-als-Auch-Interpretation allein Sinn machen sollte, dann ist Ihre Motivation durch ein Einzelphänomen, das auch eine andere Behandlung zuläßt (die Sie selber andeuten), fragwürdig. Insofern würde ich Ihrer geänderten SEO so dann doch nicht folgen wollen. Aber vielleicht lösen Sie das theoretische Problem einer Weder-Noch-Bestimmung, an dem ich leider gescheitert bin? (Auch dann bleibt allerdings die Alternative erwägenswert: Bei _rosa_ Unsp überall - was ich bisher auch angenommen habe. Ich würde übrigens zwei Paradigmen ansetzen, eins ohne rosan-Formen mit rosa als einziger Form und eins mit rosan-Formen und mit prädikativem rosa als einziger rosa-Form. Beide gehören zu Idiolektsystemen aus verschiedenen Registern, das zweite ist nur umgangssprachlich.) Herzliche Grüße Ihr Hans-Heinrich Lieb ------------------------------------------------ Prof. Dr. Hans-Heinrich Lieb FB Philosophie und Geisteswissenschaften FREIE UNIVERSITÄT BERLIN ------------------------------------------- lieb at zedat.fu-berlin.de Telefon (030) 838-52973 Sekretariat (030) 838-52168 Privat (030) 852 92 80 www.germanistik.fu-berlin.de/il/lieb.html ------------------------------------------------ From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Fri Mar 3 19:38:13 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Fri, 3 Mar 2006 20:38:13 +0100 Subject: St=?iso-8859-1?Q?=E4rke?= als funktionale Klassifikation Message-ID: Hallo zusammen, Monika Budde hat in ihrer Disseration (S. 212) bestritten, dass die 'Stärke'-Klassifikation in der SEO deutscher Idiolektsysteme[1] einen funktionalen Status hat. Erstens sei die Unterscheidung satzsemantisch nicht funktional, und zweitens trage sie nicht zur Identifikation der syntaktischen Funktionen bei. Ich möchte nun vorschlagen, diese Klassifikation so zu modifizieren, dass die sich ergebenden Kategorien in einer Grammatik des Deutschen im Prinzip auf eine Weise definiert werden können, die zumindest *syntaktisch funktional* ist (auf syntaktische Funktionen bezogen ist). Anlass dazu ist die Beobachtung von Bernd Wiese, dass nach einem vorangestellten Genitivattribut statt der unflektierten Kardinale-Form _ein_ die 'starke' Form _eines_ erscheinen muss: (1) a. Claudias eines Kleid (Wiese, pers. Mitt.) b. *Claudias ein Kleid Im vorliegenden Zusammenhang besonders interessant ist, dass _eines_ in diesem Kontext keinen Einfluss auf die Form folgender Adjektivattribute hat. Wenn überhaupt, so können nur 'starke' Formen als Adjektivattribut folgen: (2) a. ?Caudias eines langärmliges Kleid 'stark' 'stark' b. *Claudias eines langärmlige Kleid 'stark' 'schwach' In anderen Kontexten hingegen folgen auf 'starke' Formen dieses Kardinale nur 'schwache' Adjektivattribute:[2] (3) a. mit nur einem langärmligen Kleid 'stark' 'schwach' b. *mit nur einem langärmligem Kleid 'stark' 'stark' Mann kann also unterscheiden zwischen 'starken' Formen mit Einfluss auf folgende Adjektivattribute (im Folgenden: *funktional starke Formen*) und solchen Formen ohne Einfluss auf folgende Adjektivattribute (*nicht funktional starke Formen*). Bei den 'schwachen' bzw. unflektierten Formen wiederum kann man unterscheiden zwischen Formen, die nur nach funktional starken Formen auftreten (*funktional schwache Formen*) und solchen, die unabhängig von funktional starken Formen vorkommen (*nicht funktional schwachen Formen). Es ergibt sich somit die folgende Klassifikation als Ersatz für die bisherige 'Stärke'-Klassifikation:[3] (4) 'Freiheit' +---------+ | | Frei N-Frei | | 'Stärke' 'Schwäche' +----+ +----+ | | | | St N-St Schw N-Schw Frei: kann ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch (insb. als referenzieller Ausdruck) verwendet werden umfasst die traditionellen 'starken' Formen N[icht]-Frei: kann nicht ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch verwendet werden umfasst die traditionellen 'schwachen' und unflektierten Formen [Funktional] St[ark]: bestimmt folgende adjektivische Modifikatoren kategorial Beispiel: _einem_1 wie in _mit einem langärmligen Kleid_ N[icht]-[Funktional] St[ark]: bestimmt folgende adjektivische Modifikatoren nicht kategorial Beispiele: _rotes_1 wie in _rotes (reißfestes) Garn_ _ein rotes (langärmliges) Kleid_ _Claudias rotes (langärmliges) Kleid_ _eines_1 wie in _Claudias eines (langärmliges) Kleid_ [Funktional] Schw[ach]: abhängig von einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der Kategorie [Funktional] St[ark] Beispiele: _rote_1 wie in _das rote Garn_ _das rote Kleid_ _eine_1 wie in _das eine Kleid_ N[icht]-[Funktional] Schw[ach]: nicht abhängig von einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der (funktionalen) Kategorie St Beispiel: _ein_1 wie in _ein rotes Kleid_ Andreas Nolda [1] Vgl. die Protokolle zum IL-Colloquium im WS 1997/98. [2] Vernünftigerweise wird man annehmen, dass _eines_ in (1), _eines_ in (2) und _einem_ in (3) Formen desselben lexikalischen Worts sind. [3] Sinnvollerweise wird man als Basis der Klassifikation entweder die Menge aller Nf oder die Menge der nicht-analytischen Nf ansetzen, da ja auch ein Teil der substantivischen Wörter nach 'Stärke' flektiert. Der Einfachheit halber berücksichtige ich hier jedoch nur Formen adjektivischer Wörter. Wie die Klassifikation für Formen substantivischer Wörter zu verallgemeinern wäre, lasse ich vorläufig offen. -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 15:35:36 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 16:35:36 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <44078FC1.13684.30E16D@localhost> Message-ID: Hans-Heinrich Lieb schrieb: > Wenn aber die > Sowohl-als-Auch-Interpretation allein Sinn machen sollte, dann ist > Ihre Motivation durch ein Einzelphänomen, das auch eine andere > Behandlung zuläßt (die Sie selber andeuten), fragwürdig. Wie erwähnt, ist eine reine 'Sowohl ... als auch'-Interpretation von Unspezifiziertheitskategorien unvereinbar mit den folgenden Annahmen für deutsche Idiolektsysteme: 1. Prädikative Adjektivformen sind u. a. Unspezifiziert-für-Kasus. 2. Pluralformen substantivischer Wörter sind Unspezifiziert-für-Genus. Aus 1. würde sich ergeben, dass prädikative Adjektivformen sowohl Nominativ als Akkusativ, Dativ und Genitiv sind. Zumindest bei den beiden letzten Kasus ist dies unhaltbar. Und 2. hieße, dass beispielsweise ein Substantiv im Maskulinum Pluralformen hätte, die nicht nur Maskulinum, sondern darüber hinaus auch Femininum und Neutrum wären -- eine ebenso unhaltbare Konsequenz. > (Auch > dann bleibt allerdings die Alternative erwägenswert: Bei _rosa_ > Unsp überall - was ich bisher auch angenommen habe. Das geht nicht, wenn sich bereits aus dem Lexikon ergeben soll, dass _rosa_ *sowohl* prädikativ *als auch* attributiv verwendbar ist, _blau_ hingegen *nur* prädikativ verwendbar ist. Denn nach Ihrem Vorschlag würde _rosa_ in dem entsprechenden Paradigma eine *und nur eine* Kategorisierung zugeordnet werden, nämlich dieselbe wie im Fall von _blau_: {Unspezifiziert-für-Kasus, Unspezifiziert-für-Numerus, ...} Meiner Auffassung nach sollte _rosa_ hingegen eine oder mehrere zusätzliche Kategorisierungen haben, die mit dem attributiven Gebrauch dieser Form korrelieren. > Ich würde > übrigens zwei Paradigmen ansetzen, eins ohne rosan-Formen mit rosa > als einziger Form und eins mit rosan-Formen und mit prädikativem > rosa als einziger rosa-Form. Würde ich auch. Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:09:39 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:09:39 +0100 Subject: St=?iso-8859-1?Q?=E4rke?= als funktionale Klassifikation In-Reply-To: <200603032038.13714.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Noch eine Ergänzung zu den Formen substantivischer Wörter. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen: 1. den 'formal schwachen', einfachen Formen substantivischer Wörter (z. B. _Angestellte_); 2. allen weiteren einfachen Formen substantivischer Wörter (z. B. _Angestellter_ und _Arbeiter_); 3. analytischen Formen substantivischer Wörter (z. B. _der Angestellte_ und _der Arbeiter_). Zu 1.: Diese Formen sind analog zu den Formen adjektivischer Wörter als Schw zu klassifizieren, da auch sie nur zusammen mit einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der Kategorie St vorkommen. Zu 2.: Diese Formen sind zunächst einmal Frei, da sie alle (zumindest nach _ohne_ oder in Koordinationen) ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator vorkommen können. Ob sie darüber hinaus nur N-St oder zusätzlich auch St sein sollten, lasse ich hier offen. Zu 3.: Analytische Formen sind ebenfalls Frei, sofern man das Kriterium für "Frei" wie folgt präzisiert: kann nicht ohne *zusätzlichen* Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch verwendet werden Ob sie außerdem St und/oder N-St sind, hängt insbesondere davon ab, welchen Begriff des Folgens man bei der Definition von "St" und "N-St" verwendet. _Der Angestellte_ als Ganzes ist also St und/oder N-St, _der_ ist St, und _Angestellte_ ist Schw. Diesen Zusammenhang kann man entweder bei der Formenbildung von _der Angestellte_ erfassen oder in der Markierungsstruktur für _der Angestellte_ und dessen Teile (unter der Voraussetzung, dass man in der Konstituentenstruktur nicht nur die analytische Form als Ganze, sondern auch jeden ihrer Teile Nf zuordnet). Analoges gilt natürlich auch für analytische, substantivische Formen von adjektivischen Wörtern (z. B. _der rosane_ als definite, substantivische Form des Adjektivs _rosaner/rosane/rosanes_W). Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:14:53 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:14:53 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <44078FC1.13684.30E16D@localhost> Message-ID: Hans-Heinrich Lieb schrieb: > herzlichen Dank für die Erläuterungen. Aber: Ich halte das Problem > einer einwandfreien Definition von "Unsp" als Relationsterm für > Weder-Noch- Kategorien für unüberwindlich. Ich stimme Ihnen insoweit zu, als dass Unspezifiziertheitskategorien im Sinne von 'Weder ... noch-Kategorien' es gestatten, die Basis einer Klassifikation relativ beliebig zu erweitern. Ich sehe auch nicht, wie man dies durch die Definition von "Unspezifiziertheitskategorie" systematisch beschränken könnte. Davon unabhängig ist die Frage, ob man Unspezifiziertheitskategorien im Sinne von 'Sowohl ... als auch-Kategorien' ansetzen sollte oder nicht (etwa zur Vermeidung von 'totalen Synkretismen'). Meiner Meinung nach ist das eine wenig interessante Frage, da man so oder so zu empirisch weitgehend äquivalenten Ergebnissen kommt: Soweit ich sehe, lässt sich jede Klassifikation mit einer 'Sowohl ... als auch-Kategorie' K in eine Klassifikation ohne K überführen, indem man alle weiteren Klassen mit K vereinigt. Den ungeklärten Status von 'Weder ... noch-Kategorien' kann man nun zum Anlass nehmen, einmal zu überprüfen, ob diese -- zumindest, was das Deutsche angeht -- empirisch wirklich unverzichtbar sind. Interessanterweise wurde beim (funktionalen) Vf-Teil der SEO bisher kein Gebrauch von Unspezifiziertheitskategorien welcher Art auch immer gemacht (vgl. z. B. Lieb 1993: 16). Beim Pf-Teil der SEO wurde eine Markiertheits-Klassifikation mit der neutralen Kategorie Unmark[iert-für]Pf[-Unterscheidungen] auf der obersten Ebene angesetzt, um 'unflektierte' Pf von 'flektierten Pf' (Kontraktionen) zu scheiden: Pf | Pf-Markiertheit +--------+ | | Mark-Pf Unmark-Pf | Pf-Kasus [und ggfs. weitere Klassifikationen] Bei Unmark-Pf handelt es sich strenggenommen um eine 'Weder ... noch-Kategorie'. Im Unterschied zu anderen 'Weder ... noch-Kategorien' dient sie jedoch nicht der Erweiterung einer Klassifikationsbasis, sondern umgekehrt der Einschränkung der Basis von Pf-Kasus auf 'flektierte' Pf. Ich halte Unmark-Pf daher für unproblematisch. Dasselbe könnte man nun für den Nf-Teil erwägen (ähnlich schon Lieb 1983: 99): Nf ,-----------´`------------, Nf-Markiertheit Substantivität +--------+ +----+ | | | | Mark-Nf Unmark-Nf Adj Subst ,------------´|`------------, | Kasus Nf-Numerus 'Freiheit' Definitheit +---+---+---+ +-----+ +----------+ +----+ | | | | | | | | | | Nom Akk Dat Gen Sg-Nf Pf-Nf Frei N-Frei Def Indef | | | | Genus 'Stärke' 'Schwäche' Negativität +---+---+ +----+ +----+ +---------+ | | | | | | | | | Mask Fem Neut St N-St Schw N-Schw Pos-Indef Neg-Indef (Wenn man will, kann man die Basis der Substantivitäts-Klassifikation ebenfalls auf Mark-Nf beschränken.) Außer Unmark-Nf sind also keinerlei 'Weder ... noch-Kategorien' erforderlich. Die wesentlichen Konsequenzen für die nominalen Paradigmen wären: 1. Alle prädikativen Adjektivformen sind {Unmark-Nf, Adj} (bzw. {Unmark-Nf}). 2. Sg-Nf tritt in den Kategorisierungen nicht mehr auf, sondern wird von Mask, Fem und Neut impliziert. Andreas Nolda Literatur Lieb, Hans-Heinrich (1983). _Integrational Linguistics_. Current Issues in Linguistic Theory 17. Amsterdam: Benjamins. Bd. 1. Lieb, Hans-Heinrich (1993). Paradigma und Klassifikation: Explikation des Paradigmenbegriffs. _Zeitschrift für Sprachwissenschaft_ 11, 3-46. -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:39:30 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:39:30 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <200603071914.53751.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: > Nf > ,-----------´`------------, > Nf-Markiertheit Substantivität > +--------+ +----+ > | | | | > Mark-Nf Unmark-Nf Adj Subst > ,------------´|`------------, | > Kasus Nf-Numerus 'Freiheit' Definitheit > +---+---+---+ +-----+ +----------+ +----+ > | | | | | | | | | | > Nom Akk Dat Gen Sg-Nf Pf-Nf Frei N-Frei Def Indef >                   |           |          |                | >                 Genus      'Stärke'  'Schwäche'      Negativität >               +---+---+     +----+     +----+        +---------+ >               |   |   |     |    |     |    |        |         | >             Mask Fem Neut  St   N-St Schw N-Schw Pos-Indef Neg-Indef Einfache substantivische Formen wären hierbei sowohl als Pos-Indef als auch als Def zu klassifizieren, und zwar aus den folgenden Gründen: 1. Einfache substantivische Formen können indefinit, aber auch definit interpretiert werden, Letzteres z. B. in Kontexten wie _mit Schirm und Hut_. 2. Ein definiter adjektivischer Modifikator (wie _dieser_ in _dieser Hut_) wäre semantisch inkompatibel mit _Hut_, würde man _Hut_ ausschließlich Indef zuordnen. Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät II Institut für deutsche Sprache und Linguistik From sebadru at ZEDAT.FU-BERLIN.DE Tue Mar 7 23:12:09 2006 From: sebadru at ZEDAT.FU-BERLIN.DE (Sebastian Drude) Date: Wed, 8 Mar 2006 00:12:09 +0100 Subject: Unspezifische Kategorien (was: Nf-part of the SUO in German) In-Reply-To: <200603071939.30481.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Liebe IL-er, soweit ich es sehe, vermischen sich bei den Unspezifiziert-Kategorien, wie sie bisher in der IL bei einzelsprachlichen Beschreibungen angenommen worden sind, bis zu vier verschiedene Gesichtspunkte, die sich teilweise überschneiden oder entsprechen können. -- Kategorien im Sinne von Sowohl-als-Auch, insbesondere, um generalisierten Synkretismus zu vermeiden (1+2 Person bei den meisten Verbformen im Englischen?); -- Kategorien im Sinne von Weder-Noch (möglicherweise als 'Default'-Kategorien), so wohl die engl. Adjektivformen; -- Kategorien im Sinne von Nicht-Markiertheit, darunter wohl zumindest ursprünglich die einfachen Substantivformen als "Unmarkiert für Definitheit", da formal weder der eine noch der andere "Marker" anzutreffen ist. So werden sie von mir für das Aweti an verschiedener Stelle gebraucht; etwa stehen die mit Suffixen für Aspekt gekennzeichneten Formen des Progressiv und Imperfektiv den suffixlosen Perfektiv (=Unmarkiert für Aspekt) -formen gegenüber. Ähnlich ist bei den Modi der Indikativ der "Unmarkierte Modus". Von solchen Kategorien im Sinne einer Markiertheitstheorie hat sich die IL aber gegen Ende der 90er offenbar abgewandt. (Dies läßt das Perfektiv und den Indikativ im Awetí unberührt, diese sind auch funktional gut begründet.) -- Kategorien, für die eine bestimmte Unterscheidung überhaupt nicht anwendbar ist. Hierzu gehören wohl viele Kategorien, die Monika Budde annimmt, die ohne Subklassifikationen im funktionalen System auskommen will; dann wären etwa Infinitiv-Formen "Unspezifisch für Person" und "Unspezifisch für Numerus". Welche Kategorien nötig, berechtigt und zulässig sind, hängt größtenteils von Annahmen über Klassifiaktionsgesichtspunkte und -kriterien ab, die nie explizit gemacht worden sind, zumindest nicht als Teil der zu axiomatisierenden Theorie. Welchen Status solche Festlegungen hätten und wo sie wie in welcher Theorie (der Sprachtheorie? ihrer Metatheorie? der Theorie der Sprachbeschreibung?) zu verankern wären, ist mir alles andere als klar. Es ist gut, daß wir nun beginnen, uns darüber systematisch Gedanken zu machen. Ich möchte jedoch davor warnen, sich zu schnell auf einen Typ festzulegen und die anderen kategorisch auszuschließen -- sie mögen alle in verschiedenen Situationen bei einzelsprachlichen Beschreibungen ihr Recht haben (wenn sie denn jeweils sauber zu definieren und zu identifizieren sind, wo ich jetzt z.B. die Schwierigkeiten für die Weder-Noch-Kategorien für das Deutsche nicht überblicke). Diese Fragen hängen damit zusammen, wofür die SEO genau gebraucht werden soll, und welche Klassifikationen im Bereich der syntaktischen Einheiten zwar auch vorhanden sind, aber nicht der SEO angehören. Beispielsweise gibt es das Prinzip, daß in die SEO strikt nur gehören soll, was zur Identifikation von syntaktischen Funktionen oder direkt für die semantische Interpretation gebraucht wird (hoffentlich gebe ich das jetzt korrekt wider). Indem sie dies Prinzip sehr ernst nimmt, kommt Monika Budde beispielsweise zu dem Schluß, daß Kategorien wie "stark" oder "schwach" gar nicht in der SEO gebraucht werden, auch nicht bei Adjektiven (mich würde interessieren, ob Du, Monika, das nach Andreas Vortrag und der jetzt entstandenen Diskussion aufrecht erhalten würdest). Für die Beschreibung der Kombinierbarkeiten von nominalen Formen im Deutschen bräuchte man aber doch solche Kategorien nach wie vor, auch wenn es semantisch irrelevante reine kombinatorische Varianten (wie Allophone oder Allomorphe) sind. Wo gehören sie dann hin, wenn nicht in die SEO? Methodologisch komme ich selbst bei meiner Arbeit mit dem Awetí von einer ganz anderen Seite: ich erkenne erst gewisse Formklassen (gekennzeichet durch gewisse Affixe oder Hilfswörter oder eben deren Abwesenheit), versuche dann, sie nach ihrer Kombinierbarkeit miteinander zu einem (evtl. hierarchischen) System anzuordnen, und kann dann erst in einem weiteren Schritt versuchen, die einzelnen Klassen funktional/semantisch zu charakterisieren. Kurz: ich gehe den semasiologischen Weg von der Form zum Inhalt, oder folge der Richtung der Identifikation und gelange erst viel später zu den relevanten Definitionen. Ob die sich dabei ergebenden Gesichtspunkte der Klassifikationen dann homogen oder in sich schlüssing und zulässig sind, ist für mich eine theoretische und erst viel später interessante Frage, obwohl sich natürlich im Extremfall herausstellen kann, daß einige meiner Klassen und Klassifikationen gar nicht in die SEO, oder zumindest nicht in den funktionalen Teil, gehören (was jetzt nach Monika den starken und schwachen Nomenformen droht). Für die Mittel der Sprachbeschreibung muß aber Platz für solche Klassifikationen und insbesondere für die oben angeführten verschiedenen Typen von unspezifischen Kategorien sein; auch wenn nicht alles davon ins Sprachsystem (in die SEO als Teil von Indilioktsystemen) gehört. Ein ähnliches Problem mag übrigens auch beim Wortschatz zu bestehen, wo einerseits alle auch synchron bildbaren und semantisch transparent abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter erfaßt und beschrieben werden müssen, andererseits das morphologische und syntaktische Lexikon als Teil des Sprachsystems möglichst sparsam angelegt ein soll, so daß nur die einfachen Morpheme sowie die lexikalisierten komplexen morphologischen und syntaktischen Einheiten in das Lexikon als Komponente des Sprachsystems gehören; alles andere kann ja durch die Regeln der Grammatik konstruiert werden -- oder habe ich das falsch in Erinnerung? Es tut mir leid, wenn ich zu den konkreten Fragen des Deutschen jetzt keinen konstruktiven Beitrag geleistet habe und vielleicht auch den Rahmen der Diskussion etwas gesprengt und damit die Lösung der Sachprobleme mal wieder zugunsten von grundsätzlichen Fragen in die Ferne gerückt habe. Aber sich über solche Fragen bis ins letzte klar zu sein, bevor man einzelsprachliche Ad-Hoc-Lösungen einführt, ist /after all/ auch eine der großen Stärken der IL. Herziche Grüße an alle aus Nijmegen, Sebastian Drude PS.: Eine Nachfrage: > 2. Ein definiter adjektivischer Modifikator (wie _dieser_ in _dieser > Hut_) wäre semantisch inkompatibel mit _Hut_, würde man _Hut_ > ausschließlich Indef zuordnen. Wieso? Gibt es ein Prinzip, daß definite Ausdrücke nur mit definiten kombiniert werden dürfen? Ich dachte, genau das Gegenteil sei das Prinzip der Definitheit im Deutschen: daß es nur *einen* formalen "Träger" der Definitheit innerhalb eines nominalen Ausdrucks gibt (Artikel oder Demonstativ bzw. Possessivpronomen, abgesehen von Eigennamen u.Ä.), der zu einen für sich nicht spezifischen oder gar einen nicht definiten Ausdruck hinzutritt, so daß der Gesamtausdruck definit wird. -- | Sebastian D R U D E (Lingüista, Projeto Aweti / DOBES) | Setor de Lingüística -- Coordenação de Ciências Humanas (CCH) | Museu Paraense Emílio Goeldi, Belém do Pará -- CNPq -- MCT | Cx.P. 399 -- CEP: 66 040 - 170 -- Tel. e FAX: (91) 274 40 04 | Email: sebadru at zedat.fu-berlin.de + drude at museu-goeldi.br | URL: http://www.germanistik.fu-berlin.de/il/pers/drude-en.html From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Wed Mar 1 07:47:44 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Wed, 1 Mar 2006 08:47:44 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <4402F364.11996.34CB42@localhost> Message-ID: > sehr erw?genswert, aber ich selber hatte mich bei den > Unsp-Kategorien gerade in die umgekehrte Richtung entschieden: > Unsp, wenn die Kriterien s?mtlich zutreffen. Empirische Motivation f?r meinen Vorschlag waren u. a. unflektierte Adjektivformen wie _rosa_1 auf der einen Seite und _blau_1 auf der anderen Seite: _rosa_1 kann sowohl pr?dikativ als auch attributiv verwendet werden, _blau_1 hingegen nur pr?dikativ. Dieser Unterschied sollte sich aus dem Lexikon ergeben. Angenommen, man kategorisiert pr?dikative Adjektivformen wie bisher mit Hilfe von Unspezifiziertheits-Kategorien. Dann bekommen wir als Kategorisierung von _blau_1 und _rosa_1 im Hinblick auf deren pr?dikative Verwendung: (1) {Unsp-Kas, Unsp-Nf-Num, Unsp-Gen, Unsp-Schw, Adj} W?rde man nun, wie Sie vorschlagen, Unspezifiziertheits-Kategorien als 'Sowohl ... als auch-Kategorien' interpretieren, so w?re (1) ebenfalls die Kategorisierung von _rosa_1 im Hinblick auf seine attributive Verwendung. Wenn man hingegen meinem Vorschlag folgt, Unspezifiziertheits-Kategorien ausschlie?lich als 'Weder ... noch-Kategorien' zu interpretieren, dann w?rde man _rosa_1 -- im Unterschied zu _blau_1 -- neben (1) weitere Kategorisierungen zuordnen, die durch die attributive Verwendbarkeit von _rosa_1 gerechtfertigt sind: (2) a. {Nom, Sg-Nf, Mask, St, Adj} b. {Nom, Sg-Nf, Mask, Schw, Adj} c. {Nom, Sg-Nf, Fem, St, Adj} d. {Nom, Pl-Nf, Mask, St, Adj} e. {Akk, Sg-Nf, Mask, St, Adj} ... Dieser Synkretismus f?hrt, soweit ich sehe, empirisch zu keinem Problem. Insbesondere folgt daraus nicht, dass das entsprechende Adjektiv _rosa_W mehrere Formen _rosa_1 h?tte. > Problem > bei Ihrem Vorschlag: Was hei?t Zugeh?rigkeit zu derselben > Klassifikation, wenn keines der Kriterien zutrifft?? Wie wird dann > die Basis der Klassifikation bestimmt, ohne da? man einen Haufen > von v?llig irrelevantem Zeug mit einschlie?t? Eine Definition von "Unspezifiziertheits-Kategorie" im Sinn von 'Weder ... noch-Kategorie' kann ich im Augenblick leider auch nicht anbieten. Allerdings m?chte ich darauf hinweisen, dass bei der syntaktischen Analyse des Deutschen bis dato eindeutige 'Weder ... noch-Kategorien' angesetzt wurden, ohne dass dies f?r problematisch gehalten wurde: so zum Beispiel Unsp-Kas bei der Kategorisierung der pr?dikativen Adjektivformen und Unsp-Gen bei der Kategorisierung der nominalen Pluralformen. Mit besten Gr??en, Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From lieb at ZEDAT.FU-BERLIN.DE Thu Mar 2 23:37:21 2006 From: lieb at ZEDAT.FU-BERLIN.DE (Hans-Heinrich Lieb) Date: Fri, 3 Mar 2006 00:37:21 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <200603010847.45099.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Lieber Herr Nolda, herzlichen Dank f?r die Erl?uterungen. Aber: Ich halte das Problem einer einwandfreien Definition von "Unsp" als Relationsterm f?r Weder-Noch- Kategorien f?r un?berwindlich. In der IL ist - auch bei mir - im Hinblick auf Weder-Noch und Sowohl-als-Auch bisher Schwanken festzustellen. Wenn aber die Sowohl-als-Auch-Interpretation allein Sinn machen sollte, dann ist Ihre Motivation durch ein Einzelph?nomen, das auch eine andere Behandlung zul??t (die Sie selber andeuten), fragw?rdig. Insofern w?rde ich Ihrer ge?nderten SEO so dann doch nicht folgen wollen. Aber vielleicht l?sen Sie das theoretische Problem einer Weder-Noch-Bestimmung, an dem ich leider gescheitert bin? (Auch dann bleibt allerdings die Alternative erw?genswert: Bei _rosa_ Unsp ?berall - was ich bisher auch angenommen habe. Ich w?rde ?brigens zwei Paradigmen ansetzen, eins ohne rosan-Formen mit rosa als einziger Form und eins mit rosan-Formen und mit pr?dikativem rosa als einziger rosa-Form. Beide geh?ren zu Idiolektsystemen aus verschiedenen Registern, das zweite ist nur umgangssprachlich.) Herzliche Gr??e Ihr Hans-Heinrich Lieb ------------------------------------------------ Prof. Dr. Hans-Heinrich Lieb FB Philosophie und Geisteswissenschaften FREIE UNIVERSIT?T BERLIN ------------------------------------------- lieb at zedat.fu-berlin.de Telefon (030) 838-52973 Sekretariat (030) 838-52168 Privat (030) 852 92 80 www.germanistik.fu-berlin.de/il/lieb.html ------------------------------------------------ From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Fri Mar 3 19:38:13 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Fri, 3 Mar 2006 20:38:13 +0100 Subject: St=?iso-8859-1?Q?=E4rke?= als funktionale Klassifikation Message-ID: Hallo zusammen, Monika Budde hat in ihrer Disseration (S. 212) bestritten, dass die 'St?rke'-Klassifikation in der SEO deutscher Idiolektsysteme[1] einen funktionalen Status hat. Erstens sei die Unterscheidung satzsemantisch nicht funktional, und zweitens trage sie nicht zur Identifikation der syntaktischen Funktionen bei. Ich m?chte nun vorschlagen, diese Klassifikation so zu modifizieren, dass die sich ergebenden Kategorien in einer Grammatik des Deutschen im Prinzip auf eine Weise definiert werden k?nnen, die zumindest *syntaktisch funktional* ist (auf syntaktische Funktionen bezogen ist). Anlass dazu ist die Beobachtung von Bernd Wiese, dass nach einem vorangestellten Genitivattribut statt der unflektierten Kardinale-Form _ein_ die 'starke' Form _eines_ erscheinen muss: (1) a. Claudias eines Kleid (Wiese, pers. Mitt.) b. *Claudias ein Kleid Im vorliegenden Zusammenhang besonders interessant ist, dass _eines_ in diesem Kontext keinen Einfluss auf die Form folgender Adjektivattribute hat. Wenn ?berhaupt, so k?nnen nur 'starke' Formen als Adjektivattribut folgen: (2) a. ?Caudias eines lang?rmliges Kleid 'stark' 'stark' b. *Claudias eines lang?rmlige Kleid 'stark' 'schwach' In anderen Kontexten hingegen folgen auf 'starke' Formen dieses Kardinale nur 'schwache' Adjektivattribute:[2] (3) a. mit nur einem lang?rmligen Kleid 'stark' 'schwach' b. *mit nur einem lang?rmligem Kleid 'stark' 'stark' Mann kann also unterscheiden zwischen 'starken' Formen mit Einfluss auf folgende Adjektivattribute (im Folgenden: *funktional starke Formen*) und solchen Formen ohne Einfluss auf folgende Adjektivattribute (*nicht funktional starke Formen*). Bei den 'schwachen' bzw. unflektierten Formen wiederum kann man unterscheiden zwischen Formen, die nur nach funktional starken Formen auftreten (*funktional schwache Formen*) und solchen, die unabh?ngig von funktional starken Formen vorkommen (*nicht funktional schwachen Formen). Es ergibt sich somit die folgende Klassifikation als Ersatz f?r die bisherige 'St?rke'-Klassifikation:[3] (4) 'Freiheit' +---------+ | | Frei N-Frei | | 'St?rke' 'Schw?che' +----+ +----+ | | | | St N-St Schw N-Schw Frei: kann ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch (insb. als referenzieller Ausdruck) verwendet werden umfasst die traditionellen 'starken' Formen N[icht]-Frei: kann nicht ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch verwendet werden umfasst die traditionellen 'schwachen' und unflektierten Formen [Funktional] St[ark]: bestimmt folgende adjektivische Modifikatoren kategorial Beispiel: _einem_1 wie in _mit einem lang?rmligen Kleid_ N[icht]-[Funktional] St[ark]: bestimmt folgende adjektivische Modifikatoren nicht kategorial Beispiele: _rotes_1 wie in _rotes (rei?festes) Garn_ _ein rotes (lang?rmliges) Kleid_ _Claudias rotes (lang?rmliges) Kleid_ _eines_1 wie in _Claudias eines (lang?rmliges) Kleid_ [Funktional] Schw[ach]: abh?ngig von einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der Kategorie [Funktional] St[ark] Beispiele: _rote_1 wie in _das rote Garn_ _das rote Kleid_ _eine_1 wie in _das eine Kleid_ N[icht]-[Funktional] Schw[ach]: nicht abh?ngig von einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der (funktionalen) Kategorie St Beispiel: _ein_1 wie in _ein rotes Kleid_ Andreas Nolda [1] Vgl. die Protokolle zum IL-Colloquium im WS 1997/98. [2] Vern?nftigerweise wird man annehmen, dass _eines_ in (1), _eines_ in (2) und _einem_ in (3) Formen desselben lexikalischen Worts sind. [3] Sinnvollerweise wird man als Basis der Klassifikation entweder die Menge aller Nf oder die Menge der nicht-analytischen Nf ansetzen, da ja auch ein Teil der substantivischen W?rter nach 'St?rke' flektiert. Der Einfachheit halber ber?cksichtige ich hier jedoch nur Formen adjektivischer W?rter. Wie die Klassifikation f?r Formen substantivischer W?rter zu verallgemeinern w?re, lasse ich vorl?ufig offen. -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 15:35:36 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 16:35:36 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <44078FC1.13684.30E16D@localhost> Message-ID: Hans-Heinrich Lieb schrieb: > Wenn aber die > Sowohl-als-Auch-Interpretation allein Sinn machen sollte, dann ist > Ihre Motivation durch ein Einzelph?nomen, das auch eine andere > Behandlung zul??t (die Sie selber andeuten), fragw?rdig. Wie erw?hnt, ist eine reine 'Sowohl ... als auch'-Interpretation von Unspezifiziertheitskategorien unvereinbar mit den folgenden Annahmen f?r deutsche Idiolektsysteme: 1. Pr?dikative Adjektivformen sind u. a. Unspezifiziert-f?r-Kasus. 2. Pluralformen substantivischer W?rter sind Unspezifiziert-f?r-Genus. Aus 1. w?rde sich ergeben, dass pr?dikative Adjektivformen sowohl Nominativ als Akkusativ, Dativ und Genitiv sind. Zumindest bei den beiden letzten Kasus ist dies unhaltbar. Und 2. hie?e, dass beispielsweise ein Substantiv im Maskulinum Pluralformen h?tte, die nicht nur Maskulinum, sondern dar?ber hinaus auch Femininum und Neutrum w?ren -- eine ebenso unhaltbare Konsequenz. > (Auch > dann bleibt allerdings die Alternative erw?genswert: Bei _rosa_ > Unsp ?berall - was ich bisher auch angenommen habe. Das geht nicht, wenn sich bereits aus dem Lexikon ergeben soll, dass _rosa_ *sowohl* pr?dikativ *als auch* attributiv verwendbar ist, _blau_ hingegen *nur* pr?dikativ verwendbar ist. Denn nach Ihrem Vorschlag w?rde _rosa_ in dem entsprechenden Paradigma eine *und nur eine* Kategorisierung zugeordnet werden, n?mlich dieselbe wie im Fall von _blau_: {Unspezifiziert-f?r-Kasus, Unspezifiziert-f?r-Numerus, ...} Meiner Auffassung nach sollte _rosa_ hingegen eine oder mehrere zus?tzliche Kategorisierungen haben, die mit dem attributiven Gebrauch dieser Form korrelieren. > Ich w?rde > ?brigens zwei Paradigmen ansetzen, eins ohne rosan-Formen mit rosa > als einziger Form und eins mit rosan-Formen und mit pr?dikativem > rosa als einziger rosa-Form. W?rde ich auch. Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:09:39 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:09:39 +0100 Subject: St=?iso-8859-1?Q?=E4rke?= als funktionale Klassifikation In-Reply-To: <200603032038.13714.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Noch eine Erg?nzung zu den Formen substantivischer W?rter. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen: 1. den 'formal schwachen', einfachen Formen substantivischer W?rter (z. B. _Angestellte_); 2. allen weiteren einfachen Formen substantivischer W?rter (z. B. _Angestellter_ und _Arbeiter_); 3. analytischen Formen substantivischer W?rter (z. B. _der Angestellte_ und _der Arbeiter_). Zu 1.: Diese Formen sind analog zu den Formen adjektivischer W?rter als Schw zu klassifizieren, da auch sie nur zusammen mit einem vorangehenden adjektivischen Modifikator oder Artikel der Kategorie St vorkommen. Zu 2.: Diese Formen sind zun?chst einmal Frei, da sie alle (zumindest nach _ohne_ oder in Koordinationen) ohne Artikel oder adjektivischen Modifikator vorkommen k?nnen. Ob sie dar?ber hinaus nur N-St oder zus?tzlich auch St sein sollten, lasse ich hier offen. Zu 3.: Analytische Formen sind ebenfalls Frei, sofern man das Kriterium f?r "Frei" wie folgt pr?zisiert: kann nicht ohne *zus?tzlichen* Artikel oder adjektivischen Modifikator substantivisch verwendet werden Ob sie au?erdem St und/oder N-St sind, h?ngt insbesondere davon ab, welchen Begriff des Folgens man bei der Definition von "St" und "N-St" verwendet. _Der Angestellte_ als Ganzes ist also St und/oder N-St, _der_ ist St, und _Angestellte_ ist Schw. Diesen Zusammenhang kann man entweder bei der Formenbildung von _der Angestellte_ erfassen oder in der Markierungsstruktur f?r _der Angestellte_ und dessen Teile (unter der Voraussetzung, dass man in der Konstituentenstruktur nicht nur die analytische Form als Ganze, sondern auch jeden ihrer Teile Nf zuordnet). Analoges gilt nat?rlich auch f?r analytische, substantivische Formen von adjektivischen W?rtern (z. B. _der rosane_ als definite, substantivische Form des Adjektivs _rosaner/rosane/rosanes_W). Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:14:53 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:14:53 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <44078FC1.13684.30E16D@localhost> Message-ID: Hans-Heinrich Lieb schrieb: > herzlichen Dank f?r die Erl?uterungen. Aber: Ich halte das Problem > einer einwandfreien Definition von "Unsp" als Relationsterm f?r > Weder-Noch- Kategorien f?r un?berwindlich. Ich stimme Ihnen insoweit zu, als dass Unspezifiziertheitskategorien im Sinne von 'Weder ... noch-Kategorien' es gestatten, die Basis einer Klassifikation relativ beliebig zu erweitern. Ich sehe auch nicht, wie man dies durch die Definition von "Unspezifiziertheitskategorie" systematisch beschr?nken k?nnte. Davon unabh?ngig ist die Frage, ob man Unspezifiziertheitskategorien im Sinne von 'Sowohl ... als auch-Kategorien' ansetzen sollte oder nicht (etwa zur Vermeidung von 'totalen Synkretismen'). Meiner Meinung nach ist das eine wenig interessante Frage, da man so oder so zu empirisch weitgehend ?quivalenten Ergebnissen kommt: Soweit ich sehe, l?sst sich jede Klassifikation mit einer 'Sowohl ... als auch-Kategorie' K in eine Klassifikation ohne K ?berf?hren, indem man alle weiteren Klassen mit K vereinigt. Den ungekl?rten Status von 'Weder ... noch-Kategorien' kann man nun zum Anlass nehmen, einmal zu ?berpr?fen, ob diese -- zumindest, was das Deutsche angeht -- empirisch wirklich unverzichtbar sind. Interessanterweise wurde beim (funktionalen) Vf-Teil der SEO bisher kein Gebrauch von Unspezifiziertheitskategorien welcher Art auch immer gemacht (vgl. z. B. Lieb 1993: 16). Beim Pf-Teil der SEO wurde eine Markiertheits-Klassifikation mit der neutralen Kategorie Unmark[iert-f?r]Pf[-Unterscheidungen] auf der obersten Ebene angesetzt, um 'unflektierte' Pf von 'flektierten Pf' (Kontraktionen) zu scheiden: Pf | Pf-Markiertheit +--------+ | | Mark-Pf Unmark-Pf | Pf-Kasus [und ggfs. weitere Klassifikationen] Bei Unmark-Pf handelt es sich strenggenommen um eine 'Weder ... noch-Kategorie'. Im Unterschied zu anderen 'Weder ... noch-Kategorien' dient sie jedoch nicht der Erweiterung einer Klassifikationsbasis, sondern umgekehrt der Einschr?nkung der Basis von Pf-Kasus auf 'flektierte' Pf. Ich halte Unmark-Pf daher f?r unproblematisch. Dasselbe k?nnte man nun f?r den Nf-Teil erw?gen (?hnlich schon Lieb 1983: 99): Nf ,-----------?`------------, Nf-Markiertheit Substantivit?t +--------+ +----+ | | | | Mark-Nf Unmark-Nf Adj Subst ,------------?|`------------, | Kasus Nf-Numerus 'Freiheit' Definitheit +---+---+---+ +-----+ +----------+ +----+ | | | | | | | | | | Nom Akk Dat Gen Sg-Nf Pf-Nf Frei N-Frei Def Indef | | | | Genus 'St?rke' 'Schw?che' Negativit?t +---+---+ +----+ +----+ +---------+ | | | | | | | | | Mask Fem Neut St N-St Schw N-Schw Pos-Indef Neg-Indef (Wenn man will, kann man die Basis der Substantivit?ts-Klassifikation ebenfalls auf Mark-Nf beschr?nken.) Au?er Unmark-Nf sind also keinerlei 'Weder ... noch-Kategorien' erforderlich. Die wesentlichen Konsequenzen f?r die nominalen Paradigmen w?ren: 1. Alle pr?dikativen Adjektivformen sind {Unmark-Nf, Adj} (bzw. {Unmark-Nf}). 2. Sg-Nf tritt in den Kategorisierungen nicht mehr auf, sondern wird von Mask, Fem und Neut impliziert. Andreas Nolda Literatur Lieb, Hans-Heinrich (1983). _Integrational Linguistics_. Current Issues in Linguistic Theory 17. Amsterdam: Benjamins. Bd. 1. Lieb, Hans-Heinrich (1993). Paradigma und Klassifikation: Explikation des Paradigmenbegriffs. _Zeitschrift f?r Sprachwissenschaft_ 11, 3-46. -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE Tue Mar 7 18:39:30 2006 From: andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE (Andreas Nolda) Date: Tue, 7 Mar 2006 19:39:30 +0100 Subject: Nf-part of the SUO in German In-Reply-To: <200603071914.53751.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: > Nf > ,-----------?`------------, > Nf-Markiertheit Substantivit?t > +--------+ +----+ > | | | | > Mark-Nf Unmark-Nf Adj Subst > ,------------?|`------------, | > Kasus Nf-Numerus 'Freiheit' Definitheit > +---+---+---+ +-----+ +----------+ +----+ > | | | | | | | | | | > Nom Akk Dat Gen Sg-Nf Pf-Nf Frei N-Frei Def Indef > ? ? ? ? ? ? ? ? ? | ? ? ? ? ? | ? ? ? ? ?| ? ? ? ? ? ? ? ?| > ? ? ? ? ? ? ? ? Genus ? ? ?'St?rke' ?'Schw?che' ? ? ?Negativit?t > ? ? ? ? ? ? ? +---+---+ ? ? +----+ ? ? +----+ ? ? ? ?+---------+ > ? ? ? ? ? ? ? | ? | ? | ? ? | ? ?| ? ? | ? ?| ? ? ? ?| ? ? ? ? | > ? ? ? ? ? ? Mask Fem Neut ?St ? N-St Schw N-Schw Pos-Indef Neg-Indef Einfache substantivische Formen w?ren hierbei sowohl als Pos-Indef als auch als Def zu klassifizieren, und zwar aus den folgenden Gr?nden: 1. Einfache substantivische Formen k?nnen indefinit, aber auch definit interpretiert werden, Letzteres z. B. in Kontexten wie _mit Schirm und Hut_. 2. Ein definiter adjektivischer Modifikator (wie _dieser_ in _dieser Hut_) w?re semantisch inkompatibel mit _Hut_, w?rde man _Hut_ ausschlie?lich Indef zuordnen. Andreas Nolda -- Andreas Nolda http://www2.hu-berlin.de/linguistik/institut/nolda/ Humboldt-Universit?t zu Berlin Philosophische Fakult?t II Institut f?r deutsche Sprache und Linguistik From sebadru at ZEDAT.FU-BERLIN.DE Tue Mar 7 23:12:09 2006 From: sebadru at ZEDAT.FU-BERLIN.DE (Sebastian Drude) Date: Wed, 8 Mar 2006 00:12:09 +0100 Subject: Unspezifische Kategorien (was: Nf-part of the SUO in German) In-Reply-To: <200603071939.30481.andreas.nolda@cms.hu-berlin.de> Message-ID: Liebe IL-er, soweit ich es sehe, vermischen sich bei den Unspezifiziert-Kategorien, wie sie bisher in der IL bei einzelsprachlichen Beschreibungen angenommen worden sind, bis zu vier verschiedene Gesichtspunkte, die sich teilweise ?berschneiden oder entsprechen k?nnen. -- Kategorien im Sinne von Sowohl-als-Auch, insbesondere, um generalisierten Synkretismus zu vermeiden (1+2 Person bei den meisten Verbformen im Englischen?); -- Kategorien im Sinne von Weder-Noch (m?glicherweise als 'Default'-Kategorien), so wohl die engl. Adjektivformen; -- Kategorien im Sinne von Nicht-Markiertheit, darunter wohl zumindest urspr?nglich die einfachen Substantivformen als "Unmarkiert f?r Definitheit", da formal weder der eine noch der andere "Marker" anzutreffen ist. So werden sie von mir f?r das Aweti an verschiedener Stelle gebraucht; etwa stehen die mit Suffixen f?r Aspekt gekennzeichneten Formen des Progressiv und Imperfektiv den suffixlosen Perfektiv (=Unmarkiert f?r Aspekt) -formen gegen?ber. ?hnlich ist bei den Modi der Indikativ der "Unmarkierte Modus". Von solchen Kategorien im Sinne einer Markiertheitstheorie hat sich die IL aber gegen Ende der 90er offenbar abgewandt. (Dies l??t das Perfektiv und den Indikativ im Awet? unber?hrt, diese sind auch funktional gut begr?ndet.) -- Kategorien, f?r die eine bestimmte Unterscheidung ?berhaupt nicht anwendbar ist. Hierzu geh?ren wohl viele Kategorien, die Monika Budde annimmt, die ohne Subklassifikationen im funktionalen System auskommen will; dann w?ren etwa Infinitiv-Formen "Unspezifisch f?r Person" und "Unspezifisch f?r Numerus". Welche Kategorien n?tig, berechtigt und zul?ssig sind, h?ngt gr??tenteils von Annahmen ?ber Klassifiaktionsgesichtspunkte und -kriterien ab, die nie explizit gemacht worden sind, zumindest nicht als Teil der zu axiomatisierenden Theorie. Welchen Status solche Festlegungen h?tten und wo sie wie in welcher Theorie (der Sprachtheorie? ihrer Metatheorie? der Theorie der Sprachbeschreibung?) zu verankern w?ren, ist mir alles andere als klar. Es ist gut, da? wir nun beginnen, uns dar?ber systematisch Gedanken zu machen. Ich m?chte jedoch davor warnen, sich zu schnell auf einen Typ festzulegen und die anderen kategorisch auszuschlie?en -- sie m?gen alle in verschiedenen Situationen bei einzelsprachlichen Beschreibungen ihr Recht haben (wenn sie denn jeweils sauber zu definieren und zu identifizieren sind, wo ich jetzt z.B. die Schwierigkeiten f?r die Weder-Noch-Kategorien f?r das Deutsche nicht ?berblicke). Diese Fragen h?ngen damit zusammen, wof?r die SEO genau gebraucht werden soll, und welche Klassifikationen im Bereich der syntaktischen Einheiten zwar auch vorhanden sind, aber nicht der SEO angeh?ren. Beispielsweise gibt es das Prinzip, da? in die SEO strikt nur geh?ren soll, was zur Identifikation von syntaktischen Funktionen oder direkt f?r die semantische Interpretation gebraucht wird (hoffentlich gebe ich das jetzt korrekt wider). Indem sie dies Prinzip sehr ernst nimmt, kommt Monika Budde beispielsweise zu dem Schlu?, da? Kategorien wie "stark" oder "schwach" gar nicht in der SEO gebraucht werden, auch nicht bei Adjektiven (mich w?rde interessieren, ob Du, Monika, das nach Andreas Vortrag und der jetzt entstandenen Diskussion aufrecht erhalten w?rdest). F?r die Beschreibung der Kombinierbarkeiten von nominalen Formen im Deutschen br?uchte man aber doch solche Kategorien nach wie vor, auch wenn es semantisch irrelevante reine kombinatorische Varianten (wie Allophone oder Allomorphe) sind. Wo geh?ren sie dann hin, wenn nicht in die SEO? Methodologisch komme ich selbst bei meiner Arbeit mit dem Awet? von einer ganz anderen Seite: ich erkenne erst gewisse Formklassen (gekennzeichet durch gewisse Affixe oder Hilfsw?rter oder eben deren Abwesenheit), versuche dann, sie nach ihrer Kombinierbarkeit miteinander zu einem (evtl. hierarchischen) System anzuordnen, und kann dann erst in einem weiteren Schritt versuchen, die einzelnen Klassen funktional/semantisch zu charakterisieren. Kurz: ich gehe den semasiologischen Weg von der Form zum Inhalt, oder folge der Richtung der Identifikation und gelange erst viel sp?ter zu den relevanten Definitionen. Ob die sich dabei ergebenden Gesichtspunkte der Klassifikationen dann homogen oder in sich schl?ssing und zul?ssig sind, ist f?r mich eine theoretische und erst viel sp?ter interessante Frage, obwohl sich nat?rlich im Extremfall herausstellen kann, da? einige meiner Klassen und Klassifikationen gar nicht in die SEO, oder zumindest nicht in den funktionalen Teil, geh?ren (was jetzt nach Monika den starken und schwachen Nomenformen droht). F?r die Mittel der Sprachbeschreibung mu? aber Platz f?r solche Klassifikationen und insbesondere f?r die oben angef?hrten verschiedenen Typen von unspezifischen Kategorien sein; auch wenn nicht alles davon ins Sprachsystem (in die SEO als Teil von Indilioktsystemen) geh?rt. Ein ?hnliches Problem mag ?brigens auch beim Wortschatz zu bestehen, wo einerseits alle auch synchron bildbaren und semantisch transparent abgeleiteten und zusammengesetzten W?rter erfa?t und beschrieben werden m?ssen, andererseits das morphologische und syntaktische Lexikon als Teil des Sprachsystems m?glichst sparsam angelegt ein soll, so da? nur die einfachen Morpheme sowie die lexikalisierten komplexen morphologischen und syntaktischen Einheiten in das Lexikon als Komponente des Sprachsystems geh?ren; alles andere kann ja durch die Regeln der Grammatik konstruiert werden -- oder habe ich das falsch in Erinnerung? Es tut mir leid, wenn ich zu den konkreten Fragen des Deutschen jetzt keinen konstruktiven Beitrag geleistet habe und vielleicht auch den Rahmen der Diskussion etwas gesprengt und damit die L?sung der Sachprobleme mal wieder zugunsten von grunds?tzlichen Fragen in die Ferne ger?ckt habe. Aber sich ?ber solche Fragen bis ins letzte klar zu sein, bevor man einzelsprachliche Ad-Hoc-L?sungen einf?hrt, ist /after all/ auch eine der gro?en St?rken der IL. Herziche Gr??e an alle aus Nijmegen, Sebastian Drude PS.: Eine Nachfrage: > 2. Ein definiter adjektivischer Modifikator (wie _dieser_ in _dieser > Hut_) w?re semantisch inkompatibel mit _Hut_, w?rde man _Hut_ > ausschlie?lich Indef zuordnen. Wieso? Gibt es ein Prinzip, da? definite Ausdr?cke nur mit definiten kombiniert werden d?rfen? Ich dachte, genau das Gegenteil sei das Prinzip der Definitheit im Deutschen: da? es nur *einen* formalen "Tr?ger" der Definitheit innerhalb eines nominalen Ausdrucks gibt (Artikel oder Demonstativ bzw. Possessivpronomen, abgesehen von Eigennamen u.?.), der zu einen f?r sich nicht spezifischen oder gar einen nicht definiten Ausdruck hinzutritt, so da? der Gesamtausdruck definit wird. -- | Sebastian D R U D E (Ling?ista, Projeto Aweti / DOBES) | Setor de Ling??stica -- Coordena??o de Ci?ncias Humanas (CCH) | Museu Paraense Em?lio Goeldi, Bel?m do Par? -- CNPq -- MCT | Cx.P. 399 -- CEP: 66 040 - 170 -- Tel. e FAX: (91) 274 40 04 | Email: sebadru at zedat.fu-berlin.de + drude at museu-goeldi.br | URL: http://www.germanistik.fu-berlin.de/il/pers/drude-en.html