<h1>Fallstricke des ukrainischen Sprachgesetzes</h1><h6><a href="http://www.nzz.ch/aktuell/international/" class="caption">
International
</a>Montag, 05:34</h6><a href="http://www.nzz.ch/aktuell/international/fallstricke-des-ukrainischen-sprachgesetzes-1.17469385#disqus_thread" class="numOfComments"><span><span>6</span> Kommentare</span></a><a class="inline" href="http://www.nzz.ch/aktuell/international/fallstricke-des-ukrainischen-sprachgesetzes-1.17469385#gallery:zoom_1-17469385"><img src="http://images.nzz.ch/app.php/eos/v2/image/view/643/-/text/0130e6cd/1.17469418.1344790247.jpg" alt="Die Anhänger der ukrainischen Opposition tragen die Landesflagge vor dem Parlament um gegen das Sprachgesetz zu demonstrieren."></a><a class="inline" href="http://www.nzz.ch/aktuell/international/fallstricke-des-ukrainischen-sprachgesetzes-1.17469385#gallery:zoom_1-17469385"><span>Die Anhänger der ukrainischen Opposition tragen die Landesflagge vor dem Parlament um gegen das Sprachgesetz zu demonstrieren.</span><small>Bild: SERGEY DOLZHENKO/Keystone</small></a><h5>
Mit der Unterschrift von Präsident Janukowitsch und der
Publikation im Amtsblatt ist das ukrainische Sprachgesetz rechtsgültig
geworden. Die Implementierung ist aber nicht nur politisch heikel,
sondern auch teuer.
</h5><div id="social-media-floater" class="smallResolution"><div class="sm-scrolling"><a href="http://www.nzz.ch/account/mark/1.17469385" class="notify guid-1.17469385" title=""Fallstricke des ukrainischen Sprachgesetzes" meiner Merkliste hinzufügen"></a><br>
</div></div><address><span>Rudolf Hermann, Prag</span></address><div id="articleBodyText"><div><p>Das
kontroverse neue Gesetz über die «Prinzipien zur Handhabung der
Staatssprache in der Ukraine» ist durch die Unterschrift von Präsident
Janukowitsch und die nachfolgende Publikation im ukrainischen Amtsblatt
Mitte der vergangenen Woche rechtskräftig geworden. Es sieht vor, dass
in Gebieten mit einem Anteil von mindestens zehn Prozent einer anderen
Ethnie deren Angehörige berechtigt sind, Amtsgeschäfte in ihrer
Muttersprache abzuwickeln.</p><h4>Parteipolitisches Projekt</h4><p>In
knapp der Hälfte der ukrainischen Verwaltungseinheiten, vor allem im
Osten und Süden des Landes, wird namentlich die russischstämmige
Bevölkerung vom Gebrauch einer «offiziellen regionalen Sprache»
profitieren können. Daneben gibt es auch ein paar weitere
Bevölkerungsgruppen, etwa Tataren auf der Krim oder Rumänen und Ungarn
in den Karpaten.</p><p>Angeregt worden war das Gesetz von zwei
Abgeordneten der regierenden Partei der Regionen (PR), die im
überwiegend russischsprachigen industriellen Osten der Ukraine verankert
ist. Die eilige Verabschiedung der Norm wird von Kommentatoren als
parteipolitischer Schachzug interpretiert: Angesichts schwindender
Popularität vor den Parlamentswahlen im Oktober hätten Präsident
Janukowitsch und die PR der Wählerschaft der Ostukraine ein ersehntes
Zückerchen geben wollen.</p><p>Der politische Sprengstoff des Gesetzes
liegt darin, dass es der ethnisch russischen Bevölkerung erlaubt,
praktisch ohne das Ukrainische auszukommen. Im Westen des Landes, wo
traditionell das Bewusstsein nationaler Eigenständigkeit ausgeprägter
ist als im Osten und ein grösseres Bedürfnis nach Abgrenzung gegenüber
Russland herrscht, sehen viele im neuen Sprachgesetz ein gefährliches
Potenzial zur Schwächung der jungen und noch ungefestigten ukrainischen
nationalen Identität. Man befürchtet ein Auseinanderdriften der
Volksgruppen.</p><p>Während eine liberale Sprachpolitik grundsätzlich
geeignet ist, Minderheiten besser in einen Staatsverband zu integrieren,
ist die zahlenmässig starke russische Bevölkerungsgruppe in der Ukraine
in dieser Hinsicht keine typische Minorität. Zu Sowjetzeiten wurde aus
Moskau angestrebt, in den nichtrussischen Republiken des Riesenreichs
durch eine gezielte Russifizierungspolitik eine dominante Stellung des
russischen Elements aufzubauen. Das Russische war das forcierte
Kommunikationsmittel der Sowjetunion. Deren Zerfall führte aber dazu,
dass in peripheren Republiken wie im Baltikum oder in der Ukraine sich
mit der Entstehung von Nationalstaaten die Verhältnisse drastisch
änderten. Nicht überall vermochte die ethnisch russische Bevölkerung
sich damit abzufinden.</p><h4>Arbeitsgruppe als Feigenblatt</h4><p>Janukowitsch
ist sich der zentrifugalen Wirkung, die das neue Sprachgesetz entfalten
kann, sehr wohl bewusst. Wäre es ihm tatsächlich um gesellschaftlichen
Konsens und nicht Wahltaktik gegangen, hätte er das Gesetz ans Parlament
zurückgewiesen, wo die von der PR geführte Mehrheit alle
Abänderungsvorschläge abgeschmettert hatte. Er unterzeichnete indes und
gab erst nachträglich die Bildung einer Arbeitsgruppe aus Politikern und
Experten bekannt, die nun über Massnahmen zur Förderung des
Ukrainischen beraten soll. Diese Initiative dürfte kaum viel mehr sein
als ein Feigenblatt.</p><p>Die Implementation des Gesetzes wird die
Ukraine viel Geld kosten. Laut der «Kyiv Post» schätzte das
Finanzministerium unlängst den Bedarf auf umgerechnet 1,5 Milliarden
Dollar jährlich. Die Anpassung der administrativen Strukturen werde auch
viel Zeit erfordern, hiess es aus der Präsidialverwaltung.
Nichtsdestoweniger sind auf der Krim oder in Odessa die Regionalbehörden
bereits daran, ihre Ansprüche zu formulieren.</p><p><br></p><p><a href="http://www.nzz.ch/aktuell/international/fallstricke-des-ukrainischen-sprachgesetzes-1.17469385">http://www.nzz.ch/aktuell/international/fallstricke-des-ukrainischen-sprachgesetzes-1.17469385</a><br>
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