31.1137, Review: German; General Linguistics; Text/Corpus Linguistics: Janich (2019)

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Wed Mar 25 14:36:22 UTC 2020


LINGUIST List: Vol-31-1137. Wed Mar 25 2020. ISSN: 1069 - 4875.

Subject: 31.1137, Review: German; General Linguistics; Text/Corpus Linguistics: Janich (2019)

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Date: Wed, 25 Mar 2020 10:33:46
From: Dominique Dias [Dominique.Dias at univ-grenoble-alpes.fr]
Subject: Textlinguistik

 
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Book announced at http://linguistlist.org/issues/30/30-1097.html

EDITOR: Nina  Janich
TITLE: Textlinguistik
SUBTITLE: 15 Einführungen und eine Diskussion
SERIES TITLE: NARR STUDIENBÜCHER-
PUBLISHER: Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
YEAR: 2019

REVIEWER: Dominique Dias, Université de Grenoble - Alpes

ABSTRACT in English

The volume “Textlinguistics: 15 Introductions and a Discussion”, edited by
Nina Janich, Professor of German Linguistics (TU Darmstadt, Germany), is the
final product of a lecture series at the University of Darmstadt in 2006/2007.
The book is primarily intended for students and offers an overview of the
various approaches to textlinguistics. This is actually the second updated and
extended edition. Compared to the first edition in 2008, a new chapter has
been added. Several chapters have been partially updated.

The 16 chapters can be divided into four parts. The first part appeals to
define basic orientations with two contributions: The concept of text is
discussed, as is the relationship between text linguistics and discourse
linguistics. The second part aims to provide insights into various scientific
approaches. The third part “Text production and text reception” contains six
contributions in which the respective authors examine the concept of text,
orally or in writing, and in connection with the communication participants.
The last part deals with relatively new approaches to text linguistics, such
as hypertext linguistics or computational linguistics, which have emerged
because of the development of new technologies.

The book is a kind of anthology that is particularly recommended for students.
The different approaches that are explained may be sometimes redundant or show
differences between the authors but they are part of the history of text
linguistics. One of the great achievements of this volume is without a doubt
that it builds bridges between the theories of the last forty years and the
new research questions.

SUMMARY – Aufbau und Inhalt des Buches

Das Studienbuch Textlinguistik, „15 Einführungen und eine Diskussion“,
herausgegeben von Nina Janich, Professorin für deutsche Sprachwissenschaft (TU
Darmstadt), entstand aus einer Ringvorlesung an der Universität Darmstadt im
Wintersemester 2006/2007. Das Buch wendet sich vor allem an Studierende und
bietet einen Überblick über die verschiedenen Ansätze der Textlinguistik. Es
handelt sich hier eigentlich um die zweite aktualisierte und erweiterte
Auflage. Im Vergleich zur ersten Auflage 2008 wurde ein neues Kapitel
hinzugefügt. Mehrere Kapitel wurden teilweise aktualisiert und vor allem die
kommentierten Literaturtipps am Ende der verschiedenen Kapitel auf den
neuesten Stand gebracht.

Das Buch ist kein Sammelband im traditionellen Sinn und versteht sich eher als
eine Art Sammeleinführung in die Textlinguistik. Die insgesamt 16 Kapitel
lassen sich in vier Teile gliedern. Im ersten Teil werden anhand von zwei
Beiträgen „grundlegende Orientierungen“ definiert: Der Textbegriff im Rahmen
der Textlinguistik wird insbesondere diskutiert, sowie die wechselseitige
Beziehung zwischen Textlinguistik und Diskurslinguistik. Der zweite Teil
„Forschungsansätze der Textlinguistik im Einzelnen“ beabsichtigt, wie der
Titel es schon suggeriert, Einblicke in verschiedene wissenschaftliche
Herangehensweisen zu eröffnen. Der dritte Teil „Textproduktion und
Textrezeption“ umfasst sechs Beiträge, in denen die jeweiligen Autorinnen und
Autoren den Textbegriff, mündlich oder schriftlich, im Zusammenhang mit den
Kommunikationsteilnehmern unter die Lupe nehmen. Der letzte Teil
„Textlinguistik und neue Medien“ befasst sich mit relativ neuen Ansätzen der
Textlinguistik, wie die Hypertextlinguistik oder die Computerlinguistik, die
durch die Entwicklung der neuen Technologien entstanden sind.

Im ersten Kapitel „Text und Textlinguistik“ fungiert der Beitrag von Ulla Fix
(Universität Leipzig) als eine Art Einführung des Sammelbands. Sie weist
zuerst auf die Geburtsstunde der Textlinguistik hin, die sie im Rahmen der
sogenannten „pragmatischen Wende“ Ende der sechziger Jahre ansiedelt. Sie
erinnert dabei an ein berühmtes Zitat von Peter Hartmann (1968): „Es wird,
wenn überhaupt gesprochen wird, nur in Texten gesprochen“. Damit werde die
Bedeutung der Einheit Text betont und ein Übergang von einer
systemorientierten zu einer kommunikationsbezogenen Auffassung der Sprache
eingeleitet. Die Entstehung und Entwicklung der Textlinguistik spiegele also
die Entwicklung des Textbegriffs wieder, was Fix in ihrem Beitrag
weiterdiskutiert. Angehend von den sowohl viel zitierten als auch viel
kritisierten sieben Kriterien der Textualität von Beaugrande/Dressler (1981)
versucht die Autorin eine Bilanz zu ziehen, indem sie diese Kriterien als
offenes System auffasst. Am Ende ihres Beitrags ergänzt sie diese
traditionellen Kriterien mit anderen Forschungsfragen wie der kulturellen
Dimension von Textsorten, dem Zusammenhang zwischen Text und Stil oder der
Frage nach der Multimedialität von heutigen Texten.

Das Kapitel 2 „Text und Diskurslinguistik“ von Ingo H. Warnke (Universität
Bremen) gehört auch zum Teil „Grundlegende Orientierungen“. In diesem Beitrag
wird der Textbegriff in Anbetracht der Diskurslinguistik erörtert. Für die
Diskurslinguistik sei ein Textexemplar keine isolierte Einheit, sondern Teil
eines größeren Kontextes. Der Diskurs sei insofern eine textübergreifende
Struktur und die Diskurslinguistik solle von daher intertextuelle Verweise und
wiederkehrende Muster erforschen. Rein theoretisch könne man zwischen einer
textualistischen und einer epistemologischen Diskurslinguistik unterscheiden:
Erstere beschreibe eher sprachliche Phänomene mit Methoden der
Korpuslinguistik, während zweitere eher zeittypische Erscheinungen des
Sprechens und Denkens einer Epoche analysiere. Warnke fasst am Ende seines
Beitrags die Methode zusammen, die er 2008 zusammen mit Jürgen Spitzmüller
entwickelt hat: die sogenannte Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse, kurz
DIMEAN. Die Textanalyse erfordere nach dieser Methode die Unterscheidung von
einer intratextueller Ebene, einer Ebene der Akteure und einer transtextueller
Ebene. Nur so könne der Text zugleich als sprachliche Einheit, als
Kommunikationsphänomen und als Teil eines Diskurses verstanden werden.

In Kapitel 3 stellen Christina Gansel (Universität Greifswald) und Frank
Jürgens „Textgrammatische Ansätze“ vor: Chronologisch gesehen hat die
Textlinguistik ihren Ursprung in strukturell-grammatischen Textauffassungen
der sechziger Jahre. Die Autoren gehen von einem knappen Umriss dieser ersten
Phase der Textlinguistik aus, um zu zeigen, was die pragmatische Wende
geändert hat. Sie stützen sich dabei auf die Habilitationsschrift von Roland
Hartweg (1968), die den Textbegriff als eine pronominale Verkettung
betrachtet. Im zweiten Teil ihres Beitrags bekennen sich die Autoren zu einer
modernen Textgrammatik, die den Text auch als kommunikative Entität versteht.
Anhand mehrerer konkreter Beispiele wie eine TV-Reportage oder
handlungsanweisende Texte zeigen sie, welche Auswirkungen der Kontext auf den
Aufbau eines Textes hat.

Das Kapitel 4 von Andreas Lötscher (Universität Basel) ist den
„textsemantischen Ansätzen“ gewidmet und gilt also als Pendant zu Kapitel 3.
Der Autor stellt die Frage der Kohärenz, d.h. die Frage nach den inhaltlichen
Beziehungen zwischen den Sätzen und bezieht sich dabei auf das
Isotopie-Konzept von Greimas: Ein Text sei kohärent, solange er Isotopien
aufweise. Der Beitrag besteht zum Teil in einer Typologie von Formen der
semantischen Kontiguität. Auf einer syntaktischen Ebene erwähnt Lötscher auch
Formen von propositionalen Verknüpfungen und die vier Arten von
Themenentfaltung von Klaus Brinker, die auch zu einer semantischen Kohärenz
beitragen.

In Kapitel 5 „Textpragmatische und kommunikative Ansätze“ interessiert sich
Wolfgang Heinemann (Universität Leipzig) für den Text als Produkt einer
sozialen Interaktion. Eingangs kommt er auf die pragmatische Wende zurück und
schildert in groben Zügen den Beitrag von der Semiotik von Peirce zur
Sprachwissenschaft, das Organon-Modell von Bühler und die Sprechakttheorie von
Austin. Es seien lauter Etappen in der grundlegenden Ausweitung des
Gegenstandsbereichs der Linguistik. Die pragmatische Wende habe die Linguisten
dazu gebracht, sich für einzelne Phänomene der gesprochenen Sprache zu
interessieren. Deswegen schildert Heinemann die Grundkonzepte der
Konversationsanalyse. Er betont dabei, dass die Intentionalität das
wesentliche Merkmal der Textualität sei: ein Text werde nur erzeugt, um ein
kommunikatives Ziel zu erreichen.

In Kapitel 6 „Textsorten und ihre Beschreibung“ befasst sich Kirsten Adamzik
(Universität Genf) mit einem wichtigen Begriff der Textlinguistik. Der
Ausdruck Textsorte sei ein Alltagsbegriff und insofern unverzichtbar. Seine
wissenschaftliche Definition bleibe jedoch umstritten. Erst seit einem
Kolloquium 1972 zum Thema Textsorte habe sich der Terminus durchgesetzt.
Vorher habe man zusätzlich von Textklassen und Texttypen gesprochen. Die
Autorin stellt die Frage nach den theoretischen Grundlagen einer Typologie.
Manche Typologien scheitern daran, dass sie keine homogenen Kriterien
selektieren oder dass eine Fülle von Kriterien nur eine bestimmte Ebene der
Analyse berücksichtigen. Deshalb sei man zu Mehr-Ebenen-Klassifikationen
gekommen. Adamzik kommt zum Schluss, dass Texttypologien nicht alle Textsorten
ausführlich sortieren können. Sie dienen aber als ein Beschreibungswerkzeug,
um den Textproduzenten und –rezipienten zu orientieren. In der 2018
aktualisierten Schlussfolgerung weist die Autorin darauf hin, dass der Begriff
Textmuster statt Textsorten immer häufiger verwendet wird, insofern als er
Texteigenschaften betrifft und die Existenz von Textschemata voraussetzt.

In Kapitel 7 „Intertextualität und Text(sorten)vernetzung“ beabsichtigt die
Herausgeberin Nina Janich (TU Darmstadt), den 1967 von Julia Kristeva
geprägten Begriff Intertextualität unter textlinguistischer Perspektive zu
erklären. Ein Text sei nie eine isolierte sprachliche Erscheinung, sondern
solle im Hinblick auf andere Texte produziert und rezipiert werden. Die
Intertextualität wurde zwar von der Literaturwissenschaft viel erforscht, aber
sie gehört auch zur Textlinguistik, zumal sie eines der sieben Kriterien der
Textualität von Beaugrande/Dressler ist. Auf der Suche nach Parametern für
eine systematische Beschreibung intertextueller Beziehungen führt Janich unter
anderem die Theorien von Genette oder Tegtmeyer an. Sie hält textlinguistische
Typologisierungsvorschläge der Intertextualität für vernachlässigt und sie
warnt vor der Schwierigkeit der Aufgabe, denn intertextuelle Beziehungen
finden auf mehreren Ebenen statt. Als Beispiel erwähnt sie Interferenzen
zwischen Textsorten, ein Phänomen, das sie Textsorten-in-Vernetzung nennt.
Intertextualität sei also ein ausschlaggebender Begriff für die
Textsortenforschung.

Das Kapitel 8 „Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Texten“ von Peter Koch
(Universität Tübingen) und Wulf Oesterreicher (Universität München) bildet
eine Einführung in ihre Theorie der Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Sie
unterscheiden eine mediale (graphisch/phonisch) von einer konzeptionellen
Ebene (gesprochen/geschrieben). Daraus ergeben sich ein Kontinuum zwischen
Mündlichkeit und Schriftlichkeit und konzeptionelle Abstufungen zwischen
unterschiedlichen Kommunikationsformen. Eine Reihe von Parametern (Privatheit,
Vertrautheit der Kommunikationspartner, referenzielle Nähe, Dialogizität,
Spontaneität…) ermögliche eine Typologisierung der Kommunikationssituationen.
Laut den Autoren seien die konzeptionellen und medialen Aspekte der Sprache
Hinweise auf die kulturelle und historische Gestaltung der Kommunikation.
Darum bevorzugen sie den Begriff Diskurstradition anstatt Textsorte.

Das Kapitel 9 „Mündliche Textproduktion: Informationsorganisation in Texten“
von Christiane von Stutterheim (Universität Heidelberg) und Wolfgang Klein
(Max-Planck-Institut) ist der Sprachproduktion gewidmet. Die Autoren teilen
diese sprachliche Aktivität in drei Hauptphasen: die Konzeptualisierung, die
Formulierung und die Artikulation. Sprechen erfordere also eine neue
konzeptuelle Repräsentation, die von einer zentralen Frage gesteuert werde.
Die Autoren greifen auf den aus der Antike entlehnten Begriff der Quaestio
zurück, um diese explizite oder implizite redeeinleitende Frage zu bezeichnen,
die Konzeptualisierungsprozesse auslöst. Die Quaestio organisiere die
Hauptstruktur des Textes nach bestimmten Mustern der Kohärenz. Die Autoren
stützen ihre Gedankenführung mit Ergebnissen experimenteller Studien und
zeigen dabei, inwiefern die Phase der Konzeptualisierung für die Textplanung
ausschlaggebend ist.

Das Kapitel 10 „Schriftliche Textproduktion: Formulieren als Problemlösung“
von Gerd Antos (Universität Halle) knüpft an das vorherige Kapitel an, aber
diesmal geht es um die schriftliche Textproduktion. In diesem Kapitel wird
Textproduktion auch als Lösung einer kommunikativen Aufgabe aufgefasst. Antos
fasst hier eigentlich seine Formulierungstheorie von 1982 zusammen. Um die
kommunikative Aufgabe zu lösen, werden bestimmte Leistungen erfordert. Die
Frage ist, worin diese Leistungen bestehen, und wie man sie erforschen kann.
Die Textproduktion sei eine rekursive Bewegung und bestehe aus sogenannten
Umformulierungsschritten. Anders gesagt: Ein Text sei keine vorgeformte
Einheit, ein Text entwickle sich während des Prozesses der Textproduktion.
Antos zählt sieben Formulierungsbarrieren auf, die Teil des
Problemlöseprozesses seien.

In Kapitel 11 „Textproduktion und Kontext: Domänenspezifisches Schreiben“
zeigt Eva-Maria Jakobs (Universität Aachen) wie der berufliche Kontext die
Textproduktion beeinflussen kann. Was die Methode angeht, empfehlt sie den
Vergleich zwischen mehreren Textentwürfen, um die Textgenese und die
Textplanung nachzuvollziehen. Jakobs identifiziert Spektren mit zwei
gegensätzlichen Polen, um Textproduktionen im beruflichen Kontext zu
analysieren, wie etwa einfach/komplex, formalisiert/individuell oder
Standardaufgabe/Nichtstandardaufgabe. Übrigens seien Kulturräume und Domäne
sozial-sprachlich und zeitlich geprägt. Sie prägen im Gegenzug
Schreibkonventionen und Textsorten. So könne man je nach Kulturraum das
Bestehen von verschiedenen Diskursmustern in vergleichbaren Domänen
feststellen. Im Gegensatz dazu beobachte man auch Interferenzen zwischen den
Kulturräumen, wie zum Beispiel die Ausbreitung amerikanischer Normen für die
Berichterstattung nach 1945.

In Kapitel 12 „Kriterien der Textbewertung am Beispiel Parlando“ fragt sich
Peter Sieber (Universität Zürich), was einen guten Text ausmacht und nach
welchen Kriterien man einen Text bewerten kann. Ein guter Text solle nach
Sieber einem Weg ähnlich sein, den Rezipienten von einem Punkt zum anderen
bringen. Nach dieser metaphorischen Antwort stellt der Autor das Zürcher
Textanalyseraster vor: fünf Grunddimensionen der Textqualität, die aus einem
Korpus aus Texten von Abiturienten und Studienanfängern im Rahmen des Zürcher
Sprachfähigkeiten-Projekts herausgearbeitet wurden. Diese Dimensionen
betreffen Grundgrößen, sprachsystematische Richtigkeit, funktionale
Angemessenheit, ästhetische Angemessenheit und inhaltliche Relevanz. Ein
Ergebnis der Textanalysen sei die Feststellung einer wichtigen Tendenz in der
Sprachentwicklung des 20. Jahrhunderts, die der Autor mit dem aus der
Musiktheorie entlehnten Begriff Parlando bezeichnet. In die Textproduktion
werden Merkmale der mündlichen Kommunikation allmählich einbezogen. Am Ende
seines Beitrags schlägt Sieber vier Hypothesen vor, um diese Entwicklung zu
erklären.

In Kapitel 13 „Textverstehen und Textverständlichkeit“ stellt Susanne
Göpferich (Universität Gießen) die Frage nach der Verständlichkeit eines
Textes. Die Verständlichkeit definiert sie als einen Prozess, in dem was der
Leser vom Text mitbekommt mit seinem eigenen Wissen interagiere. Anders
gesagt: der Sinn sei nicht im Text, sondern werde vom Leser mitkonstruiert.
Göpferich stellt in ihrem Beitrag verschiedene theoretische Modelle aus der
Verständlichkeitsforschung vor, bevor sie das Karlsruher
Verständlichkeitskonzept näher betrachtet. Die Verständlichkeit eines Textes
hänge zuerst von seiner kommunikativen Funktion ab: Diese bestehe aus dem
Zweck, den Adressaten und dem Sender. Die Konzeptionsphase berücksichtige dann
Textproduktions-Eckdaten wie das mentale Modell der Textsorte oder das Medium.
Dazu kommen auch Verständlichkeitsdimensionen wie Prägnanz, Motivation,
Simplizität oder Korrektheit, die zu beachten seien.

In Kapitel 14 „Hypertextlinguistik“ beginnt Angelika Storrer (Universität
Mannheim) mit einer kurzen Geschichte der Hypertextidee, die schon vor der
Computertechnik existierte, selbst wenn der Begriff erst 1972 geprägt wurde.
Hypertext sei eine Schreib- und Lesetechnologie, die laut Storrer durch vier
Hauptmerkmale kennzeichnet werde: multimodale Kodiertheit, Dynamik,
Interaktivität und computervermittelte Kommunikation. Multimodalität bedeute,
dass Hypertexte nicht ausschließlich aus Text bestehen. Hypertexte seien
dynamisch, insofern als ihre Module kontinuierlich aktualisiert werden können,
es seien „Texte-in-Bewegung“ wie Storrer sie nennt. Sie seien außerdem
interaktiv, denn der Benutzer könne Hyperlinks anklicken, um alternative
Lesewege auszuwählen. Hypertexte werden durch Software verwaltet, was auch
Folgen für die Textproduktion und –rezeption habe. All diese Merkmale stellen
den traditionellen Textbegriff in Frage, was die Autorin dazu bringt, zwischen
monosequenzierten, mehrfachsequenzierten und unsequenzierten Textsorten zu
unterscheiden.

In Kapitel 15 „Computerlinguistik und Textanalyse“ von Manfred Stede
(Universität Potsdam) handelt es sich um die Auswirkungen der
Computerlinguistik auf die Textlinguistik. Am Anfang seines Vortrags erinnert
Stede an die Werkzeuge der automatischen Analyse. Entweder werde ein Text als
Menge von Wörtern betrachtet: Analysen beruhen dann vor allem auf der
Wortfrequenz. Oder Texte werden annotiert und als Ansammlung formaler und
linguistischer Merkmale betrachtet. Das Interesse der Computerlinguistik an
dem Textbegriff lasse sich aber nicht auf statistische Studien beschränken.
Die Auflösung der Anaphora oder die distributionelle Semantik seien Versuche,
die Strukturierung von Texten besser zu verstehen. Was die Textsortenforschung
angeht, erwähnt der Autor die Move Analysis von Swales, die funktionale
Einheiten und ihre Hierarchisierung bestimmen solle. Er fragt sich, ob solche
Einheiten automatisch zu erkennen seien. Die Entwicklung von
Mehr-Ebenen-Korpora, die auf den Ebenen der Syntax, der Koreferenz, der
rhetorischen Strukturen annotiert sind, biete die Möglichkeit, neue Theorien
zu erforschen.

Das letzte Kapitel „Textlinguistik und Digitalität: eine Diskussion“ von Eva
Martha Eckkrammer (Universität Mannheim) ist das neue Kapitel der
aktualisierten zweiten Ausgabe. Hier werden Fragen hinsichtlich der neuen
Technologien aufgeworfen und zukünftige Forschungsthemen vorgeschlagen. Die
Autorin erklärt, dass die technologischen Entwicklungen noch in Gang seien:
vor allem die Kommunikation durch mobile Geräte sei ein weiterer Schritt, der
die Art und Weise verändert, wie man Texte erstellt und rezipiert. Der
Medienwechsel im Allgemeinen habe mehrere Konsequenzen wie das Abweichen vom
linearen Prinzip oder die kontinuierliche Entstehung von Textsorten und
Kommunikationsformen. Online-Medien stellen auch die Frage nach der
gesicherten Urheberschaft von Text. Deswegen brauche man neue Modelle, um
diese Veränderungen zu durchdenken.

EVALUATION – Bewertung des Buches

Das Buch bietet einen gelungenen Überblick über die textlinguistische
Forschung. Es existieren bereits zahlreiche Einführungen in die Textlinguistik
(Siehe unter anderem Adamzik 2004, Brinker 2005, Sandig 2006, Gansel/Jürgens
2007), aber dieses Studienbuch zeichnet sich durch seine unvergleichbare
Perspektivenvielfalt aus, welche sich durch die Entstehungsgeschichte des
Sammelbandes erklären lässt. In der Tat hat die Ringvorlesung an der TU
Darmstadt im Rahmen des Projekts „Modernes Lehren und Lernen“ anerkannte
Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler aus Deutschland und aus
der Schweiz versammelt, manche von ihnen haben sogar schon eine eigene
Einführung in die Textlinguistik publiziert. Die Herausgabe eines Sammelbandes
nach dieser Ringvorlesung ist also besonders sinnvoll, denn sie ermöglicht,
verschiedene Richtungen und Aspekte der Textlinguistik in einem Band
zusammenzubringen. Selbst wenn das Buch etwas unüblich aus 15 Einführungen
besteht, ist es kohärent aufgebaut.

Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass das Werk gewisse Redundanzen
aufweist. So werden die Begriffe Kohäsion und Kohärenz mehrmals definiert (in
den Kapiteln 1, 3, 4, 8, 13 und 14). Die Kritik an dem Textkonzept von
Beaugrande/Dressler ist in den Kapiteln 1, 8 und 14 zu finden. Der Vorteil ist
jedoch, dass jedes Kapitel unabhängig von den anderen gelesen werden kann. Der
Nachteil ist aber, dass in diesen wiederholten Konzepten und Beweisführungen
manche Unstimmigkeiten auftauchen können. So wird zum Beispiel der Diskurs von
Warnke als textübergreifende Struktur (Kapitel 2) definiert, während Koch und
Oesterreicher (Kapitel 8) zwei Diskurs/Text Paare unterscheiden, einerseits
als Betrachtungsebene und andererseits als sprachliche Einheit. Solche
Unstimmigkeiten mögen zwar manche Leser verwirren, sie gehören aber auch zur
Perspektivenvielfalt des Buches und machen in diesem Sinne die Relevanz des
Sammelbandes aus. Sie werden übrigens in der Einleitung von der Herausgeberin
erwähnt. Darüber hinaus wird jedes Kapitel mit besonderen Textbausteinen
versehen: Die Textblöcke „Attention!“ heben besondere Fragen oder Probleme
hervor, die in der Forschung noch umstritten sind. Diese Textblöcke
ermöglichen, verwirrende Unstimmigkeiten zwischen den Autoren zu überwinden
und entsprechen authentischen Forschungsdebatten.

Das Buch ist für Studierenden der Germanistik oder der Sprachwissenschaft
besonders gut geeignet, insofern als es Einblicke in verschiedene Theorien der
Textlinguistik bietet. Man könnte aber bedauern, dass der Großteil der Kapitel
sehr theoretisch bleibt und die unterschiedlichen Ansätze nicht jeweils mit
konkreten Beispielen erläutert werden, wie es in den Kapiteln 3, 4 und 9 zum
Teil der Fall ist. Mit einem Umfang von 409 Seiten versteht man jedoch, dass
es eine echte Herausforderung darstellen würde.

Vom Inhalt her bringen die meisten Kapitel nichts Neues, sondern bestehen in
der Zusammenfassung von Theorien, die anderswo ausführlich beschrieben wurden.
So wird die 2008 von Warnke und Spitzmüller erstellte Methode DIMEAN im
Kapitel 2 von Warnke selbst vorgestellt. Kapitel 8 gleicht eher einer
Einführung in das Nähe-Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher aus dem Jahre
1985 als einer Einführung in die Textlinguistik. Dasselbe gilt für Kapitel 10,
das die Formulierungstheorie von Antos aus dem Jahre 1982 zusammenfasst.
Solche Kapitel bilden aber eine gute erste Lektüre, für all jene, die sich mit
den jeweiligen Theorien vertraut machen möchten. Der Baustein „Kommentierte
Literaturtipps“, mit dem jedes Kapitel endet, erweist sich dann von großer
Bedeutung.

Eine recht lebendige Richtung der Textlinguistik, die jedoch fehlt, wäre die
sprachdidaktische Perspektive, wie sie zum Beispiel von Fandrych/Thurmair
(2011) vertreten wird. Ihre Studie bietet eine linguistisch umfassende
Beschreibung von zwanzig Textsorten, die die Frage nach dem Textbegriff und
den Textsortenklassifikationen stellt. Ihr Ansatz hätte auch bei der zweiten
aktualisierten Ausgabe hinzugefügt werden können, insofern als er die
kulturelle Dimension von Texten und ihre notwendige Didaktisierung in den
Mittelpunkt rückt.

Das Buch lässt sich als eine Art Anthologie lesen, die für Studierende
besonders empfehlenswert ist. Die verschiedenen erläuterten Ansätze stellen in
der Tat wichtige Etappen in der Geschichte der Textlinguistik dar. Das größte
Verdienst dieses Studienbuches ist zweifellos, dass es Brücken zwischen den
Theorien der letzten vierzig Jahre und den neuen Forschungsfragen schlägt.

REFERENCES – Literaturverzeichnis

Adamzik, Kirsten. 2004. Textlinguistik. Eine einführende Darstellung.
Tübingen: Niemeyer.

Beaugrande, Robert Alain de & Wolfgang Ulrich Dressler. 1981. Einführung in
die Textlinguistik. Tübingen: Niemeyer.

Brinker, Klaus. 2005. Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in
Grundbegriffe und Methoden. Berlin: Erich Schmidt.

Fandrych, Christian & Maria Thurmair. 2011. Textsorten im Deutschen. Tübingen:
Stauffenburg Verlag.

Gansel, Christina & Frank Jürgens. 2007. Textlinguistik und Textgrammatik.
Eine Einführung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Hartman, Peter. 1968. Zum Begriff des sprachlichen Zeichens. Zeitschrift für
Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 21. 205-222.

Hartweg, Roland. 1968. Pronomina und Textkonstitution. München: Wilhelm Fink.

Sandig, Barbara. 2006. Textstilistik des Deutschen. Berlin, New-York: De
Gruyter.


ABOUT THE REVIEWER

Dominique Dias is associate professor of German linguistics at the University
Grenoble-Alpes (France). He is a member of the research group ILCEA4, which
deals with foreign cultures and languages. His research interests lie in text
linguistics, metadiscourses, text types and german media.





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