LL-L "Orthography" 2003.10.19 (04) [German]

Lowlands-L lowlands-l at lowlands-l.net
Sun Oct 19 17:29:34 UTC 2003


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L O W L A N D S - L * 19.OCT.2003 (04) * ISSN 189-5582 * LCSN 96-4226
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From: Klaus-Werner Kahl <kwkahl at bnet-ibb.de>
Subject: Orthography

Liebe Lowländer,

die Diskussionen zur Schreibweise der Niedersächsischen Sprache habe ich mit
großem Interesse verfolgt. Hier nun ein Auszug aus einer Seminarunterlage zu
der von mir entwickelten und gebrauchten Schreibweise, die sich in vielen
Schriftstücken und bereits in einigen Büchern bewährt hat. Insbesondere die
weiter unten aufgeführte Regel 2 wird in allen bisher geschriebenen
Beiträgen zur Orthographie nicht beachtet und führt daher auch zwangsläufig
zu endlosen Diskussionen.

Hier der Beitrag:

Schreibweise
Wirft man nun einen Blick auf geschriebene plattdeutsche Texte, so stellt
man verwundert eine Vielzahl verschiedener Schreibweisen fest. Eine der
wesentlichen Ursachen dafür liegt in dem Fehlen allgemein anerkannter
Regeln, was zur Aussage führt: "Man kann Plattdeutsch schreiben wie man
will!" Natürlich schreibt nicht jeder wie er will, sondern er bedient sich
bekannter Muster und ergänzt diese durch begründete Regeln. Dem Leser stellt
sich dies jedoch immer wieder als verwirrend dar, muß er sich doch jeweils
an das vom Autor vorgegebene Schriftmuster gewöhnen; er muß sich erst einmal
einlesen. Hilfreich insbesondere für den Leser ist eine einheitliche
Rechtschreibung. Wie eine solche aussehen könnte zeigt der aus Bevergern
stammende Prof. Anton Hilckman in seiner Schrift "Sollen die niederdeutschen
Dialekte sterben?" mit vier grundsätzliche Möglichkeiten zur Schreibung von
gedehnt- und kurzgesprochenen Selbstlauten auf:

*       Die Ãœbernahme der hochdeutschen Orthographie,
*       Die einfache Schreibung kurz gesprochener Vokale und die konsequente
Selbstverdopplung bei gedehnt gesprochenen Vokalen wie in der
niederländischen Orthographie,
*       Die konsequent lang gesprochenen einzelnen Selbstlaute in einer
geschlossenen Silbe und
*       Die Ãœbernahme der ostfriesischen Orthographie.
*
*       Zusätzlich besteht auch noch die Möglichkeit,
*
*       Wörter mit Hilfe zusätzlicher Schriftzeichen wiederzugeben.

Für jede dieser Möglichkeiten gibt es ein Für und Wider, das im folgenden im
grob aufgezeigt werden soll.
Für die konsequente Übernahme der hochdeutschen Orthographie führen die
Befürworter an, dem Leser die Lektüre des Plattdeutschen leichter zu machen.
Dagegen spricht die Tatsache, daß die Schreibweise der hochdeutschen Sprache
von Konrad Duden nicht nach phonetischen Gesichtspunkten festgelegt, sondern
für jedes Wort ein unveränderlicher Wortstamm postuliert wurde. Dies ist
bisher für das Plattdeutsch nicht erfolgt und erscheint aufgrund der vielen
regionalen Dialekte auch nicht möglich. Wie sollte z.B. der Wortstamm für
gehen aussehen: gaon - gaun oder gaan? Die Folge davon ist, daß es in der
plattdeutschen Literatur verschiedene Schreibweisen für das gleich
ausgesprochene Wort gibt, z.B. für Haus die Schreibweisen Hus, Huus oder
auch Hues. Besonders bei Wörtern in Einzahl und Mehrzahl macht sich das
Fehlen eines "Duden" stark bemerkbar. So verwendet man häufig für Korb die
plattdeutsche Schreibweise Kuorf, in der Mehrzahl dagegen findet man fast
immer die Schreibweise Küörwe. Dies widerspricht der strengen Regel des
unveränderlichen Wortstammes aus dem Hochdeutschen völlig!
Die einfache Schreibung kurz gesprochener Vokale und die konsequente
Selbstlautverdopplung in geschlossenen Silben, wie sie in der
Niederländischen Orthographie verwendet wird, macht die Aussprache
eindeutig, hat aber den Nachteil, daß das Schriftbild dem Hochdeutschen
durchaus widersprechen kann. So schreibt sich der Mann als Man, der Wal dann
als Waal.
Schreibt man gedehnt gesprochene Selbstlaute einfach, erfordert dies bei
kurz gesprochenen Selbstlauten eine Verdopplung des nachfolgenden Mitlautes.
Diese im Hochdeutschen oft angewendete und daher vertraute erscheinende
Regel findet aber bei weitem nicht immer ihre Anwendung, wie z.B. bei mit,
das, Kind, oder in auslautenden Silben.
Die Ãœbernahme der ostfriesischen Schreibweise ist eindeutig, aber in unserem
Raum weitestgehend unbekannt. Zudem erfordern lang gesprochene Selbstlaute
ein für uns ungewohntes Circumflex über den Selbstlauten, z.B. bei Hûs für
Haus.
Die weitere Variante der Schreibweise mit zusätzlichen Sonderzeichen - etwa
der internationalen Lautschrift - bietet sicherlich den Vorteil eindeutig zu
sein, ist aber wohl wegen der vielen neuen und ungeübten Zeichen die am
wenigsten für fließende Texte akzeptable Alternative.

Natürlich ist es mit der Behandlung von kurz- und langgesprochenen Vokalen
allein noch nicht getan! Wie allein das Beispiel Kuorf - Küörwe zeigt, sind
weitere Festlegungen erforderlich. Mit dem Anspruch, die plattdeutsche
Orthographie so einfach wie möglich zu machen, auf Ausnahmen gänzlich zu
verzichten und dennoch den gewohnten Bezug zur hochdeutschen Sprache nicht
zu verlieren, wurden die folgenden Schreibregeln entwickelt.

1       Es gilt die Großschreibung für Wörter am Satzanfang sowie für
Hauptwörter und persönliche Anreden.
Diese Regel entstammt dem Hochdeutschen und bietet sich wegen des gewohnten
Schriftbildes anstelle der generellen Kleinschreibung an. Sprachlich gibt es
dafür allerdings keine Notwendigkeit.

2       Ausgangspunkt ist die gesprochene Silbe. Ändern sich die
Silbengrenzen, ändert sich auch die Schreibweise.
Im Hochdeutschen findet diese Regel keine Anwendung. Im Plattdeutschen
dagegen kommt dieser Regel eine elementare Bedeutung zu wie die Beispiele:
Baan = Bahn à Ba·nen = Bahnen statt Baa·nen; Schien = Schein à Schi·ne =
Scheine statt Schie·ne; Pin = Stift à  Pin·ne = Stifte; plat = flach Ã
plat·te = flache zeigen.

3       Der Wortstamm wird berücksichtigt.
Hier wird Anleihe an der hochdeutschen Orthographie und damit dem Ansinnen
von Konrad Duden genommen, die Wiedererkennbarkeit eines Begriffes in seinen
verschiedenen Beugungsformen zu gewährleisten. Diese auf den ersten Blick
einfach erscheinende Forderung entpuppt sich in vielen Fällen als durchaus
schwierig, wie die Beispiele Kuorw = Korb statt Kuorf à Küör·we = Körbe;
Kring = Kreis statt Krink à Krin·ge = Kreise zeigen.

4       Worttrennungen erfolgen stets am Silbenende.
Diese Regelung hat inzwischen auch konsequent Einzug in die sogenannte neue
deutsche Rechtschreibung gefunden, wie bei der Trennung des st. Ein Beispiel
aus dem Plattdeutschen ist das Wort Püüs·ter = Gewehr.

5       Das Dehnungs-e wird nur beim Selbstlaut i geschrieben, um
Verwechslungen mit dem Umlaut ü bei handgeschriebenen Schriftstücken zu
vermeiden.
Auch diese Regel findet in der hochdeutschen Sprache ihre Anwendung.
Beispiele aus dem Plattdeutschen sind: Wien = Wein; mien = mein; liek =
gleich.

6       Das Dehnungs-h wird nicht verwendet.
In der hochdeutschen Orthographie findet das Dehnungs-h eine weite
Verbreitung, obwohl es überflüssig sein müßte, wenn doch einzeln
geschriebene Selbstlaute die gedehnte Aussprache kennzeichnen. Der Wal wird
ohne, die Wahl mit dem h geschrieben, wohl nur um die Begriffe im
Schriftbild eindeutig zu unterscheiden. Phonetisch hat es überhaupt keine
Bedeutung, man hört es nicht! Daher kann darauf völlig verzichtet werden.

7       Lang gesprochene Selbst- und Umlaute werden am Silbenende einfach
geschrieben.
Im Hochdeutschen gibt es Beispiele dafür, nicht nur kurz gesprochene,
sondern auch lang gesprochene Selbstlaute einfach, doppelt oder mit einem
Dehnungs-e bzw. -h zu schreiben, beispielsweise zu, du oder Vieh, Tee, Kuh.
Im Plattdeutschen stellt sich das viel einfacher dar, wie die Beispiele Ve =
Vieh; to = zu; mi = mir; sü = siehe zeigen.

8       Lang gesprochene Selbst- und Umlaute werden in geschlossenen Silben
und am Silbenanfang verdoppelt.
Hierfür gibt es in der hochdeutschen Orthographie genügend gleiche
Beispiele, wie bei Haar oder Aal. Eine Ausnahmeregel im Hochdeutschen
verbietet jedoch die Verdopplung von Umlauten. Deshalb gibt es zwar das
Haar, aber das Härchen, den Aal, aber das Äl·chen. Hier verstößt diese
Schreibweise sogar gegen die fundamentale Forderung des unveränderlichen
Wortstammes! Solche Ausnahmen erübrigen sich im Plattdeutschen, wie die
Beispiele Muul = Maul, uut = aus oder gään = gern zeigen.

9       Allein gesprochene Selbst- und Umlaute werden einfach geschrieben.
Diese Regel findet auch im Hochdeutschen ihre Anwendung, auch wenn aufgrund
des unveränderlichen Wortstammes wie beim Wort aa·sen keine absolute
Konsequenz erkennbar wird. Anders im Plattdeutschen, wo aus der Uul die
U·len werden und ansonsten geschrieben wird: A·pe = Affe; a·wat = ach was.
Damit sind Silbentrennungen auch immer eindeutig erkennbar wie bei wi·er =
wieder.

10      Kurz gesprochene Selbst- und Umlaute werden einfach geschrieben;
daher erübrigt sich die Mitlautverdopplung am Silbenende.
Beispiele für die inkonsequente Anwendung der hochdeutschen Schreibregeln
mit der Forderung nach einer Mitlautverdopplung fanden bereits Erwähnung bei
den Worten mit oder das. Bei der Schreibung der plattdeutschen Sprache sind
Ausnahmen nicht erforderlich, wie die Worte Ülk = Iltis, of = ob und düt =
dies zeigen.

11      Das gequetschte e wird durch ein e mit einem Trema ausgedrückt.
Eine Besonderheit im Plattdeutschen stellt das gequetschte e dar, welches
sich sprachlich gravierend vom üblichen e unterscheidet wie z.B. in guët =
gut oder Rië·kel = männlicher Hund. Daher hat es als einziges Sonderzeichen
im Vergleich zur bekannten hochdeutschen Schreibung  seine Berechtigung.

12      Eine Mitlautverdopplung innerhalb einer Silbe gibt es nicht.
Häufig fand das Wort bekannt schon Verwendung in den vorangegangenen Zeilen,
bei dem die Mitlautverdopplung aufgrund der Regel des unveränderlichen
Vorstammes notwendig ist, aber nicht am Silbenende, sondern mitten in der
Silbe steht. Solches entfällt für die plattdeutsche Sprache, da es bei
Beachtung der vorangegangenen Regeln absolut überflüssig ist.

Während zur richtigen Schreibung des Hochdeutschen im Grunde genommen die
Schreibweise des jeweiligen Wortstammes bekannt sein muß, oder aber alle
Regeln, insbesondere auch die vielen Ausnahmeregeln, beherrscht sein müssen,
läßt sich der plattdeutsche Wortschatz mit den zuvor genannten zwölf
vergleichsweise einfachen Regeln ausnahmslos eindeutig und richtig
schreiben. Wie das geschriebene Wort aussieht, hängt nicht von der Wahl der
Regeln ab, da sie alle gleichzeitig gelten (keine Regel widerspricht einer
anderen), sondern einzig vom Wortstamm und der Aussprache. Damit lassen sich
alle Dialekte (nicht nur der plattdeutschen Sprache) eindeutig schreiben und
vor allem auch eindeutig lesen! Der Weg zu einer einheitlichen
plattdeutschen Schriftsprache ist damit geebnet!
Erstmals findet die hier vorgestellte Orthographie ihre konsequente
Anwendung im "Wörterbuch des Münsterländer Platt". Auch die Internetseiten
www.plattdeutsch.net sind im plattdeutschen Teil durchweg hiermit verfaßt.

Guëtgaon! Alles Gute! All the Best!

Klaus-Werner Kahl

www.plattdeutsch.net

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