LL-L "Language varieties" 2003.09.03 (03) [E/German]

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Wed Sep 3 15:06:47 UTC 2003


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L O W L A N D S - L * 03.SEP.2003 (03) * ISSN 189-5582 * LCSN 96-4226
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From: R. F. Hahn <sassisch at yahoo.com>
Subject: Language varieties

My brother sent me another article from the newspaper _Hamburger
Abendblatt_.  Please find it below.  For your information, _Kiez_ may be
described as "amusement district scene" or something like that.  St. Pauli
is the famous/infamous red-light district of Hamburg.

Regards,
Reinhard/Ron

***
So spricht der Kiez
Linguistik: Ein Wissenschaftler aus Münster erforscht die Geheimsprache St.
Paulis.

Von Christoph Rind

Mit zwölf war Klaus Siewert (49) an der Hand seines Vaters auf dem Hamburger
Fischmarkt. Seitdem lässt ihn die Hansestadt nicht mehr los. Nachdem der
Sprachforscher aus dem westfälischen Münster zuletzt die Sprache der
"Ketelklopper" ("Kesselklopfer"), der Hamburger Hafenarbeiter,
wissenschaftlich untersucht hatte, widmet er sich jetzt dem "Rotwelsch auf
dem Kiez, der Sprache, die Jahrzehnte unter Türstehern und Zuhältern auf St.
Pauli verbreitet war".

Mehrere Hundert Wörter dieser "Geheimsprache" hat er inzwischen aufgelistet.
Sie sollen als Lexikon-Anhang in seinem Buch erscheinen, das noch in diesem
Jahr fertig sein soll, dazu Erklärungen über die Herkunft und Bedeutung der
Ausdrücke.

Trotz des Zusammenhangs mit anderen so genannten Geheimsprachen, die über
Jahrhunderte Elemente aus dem Jüdischen und der Zigeunersprache aufgegriffen
haben, bezeichnet Siewert die Kiezsprache als "sehr eigenständig". So finden
sich "humoristische Elemente", etwa die Bezeichnung "Mitternachtsschlosser"
für Einbrecher, "Klau-Baum" für Brecheisen, "Hungerleuchte" für die
Taxibeleuchtung oder "Loreleysuppe" für eine dünne und geschmacklose Suppe
mit unbekannten Zutaten, getreu der Zeile aus dem Loreleylied "Ich weiß
nicht, was soll es bedeuten".

Bei seinen Recherchen in Hamburg über die Sprache der Hafenarbeiter vor zwei
Jahren war Siewert auf das "Rotwelsch" der Kiezianer gestoßen. Die Neugier
des Forschers und Autoren von 15 Büchern zur Sprachgeschichte war geweckt.
Dabei stieß er auf zwei unveröffentlichte Tanzlieder aus den 60er-Jahren des
vergangenen Jahrhunderts. Der Leiter des Quartetts "Die Playboys", Volker
Zaum, hatte noch eine Tonbandkopie, "bislang das einzige erhaltene
Tondokument der Lieder", so Siewert.

In dem Liedtext kommen hochdeutsche und rotwelsche Wörter vor, zum Beispiel
"achiele" für Essen, "toff" für gut, "schi lobi" für kein Geld, "geitling"
für Ring.

Die Kiezsprache war auch unter Markthändlern auf dem Fischmarkt und
Schaustellern auf dem Dom verbreitet, fand Siewert heraus. So erinnerte sich
ein Hamburger, dessen Vater einen Schießstand auf dem Dom betrieben hatte,
an Redewendungen aus den 30er-Jahren. Ein Beispiel: "Hol mal den Seegers
ausser Spiese, er soll Figine machen." Übersetzt heißt das: "Hol mal den
Kerl aus der Kneipe, er soll den Verkauf anstoßen", wobei "Figine" die
Bedeutung von Zauberei, Täuschung, leichter Betrug hat.

Eine der seltenen schriftlichen Quellen, auf die der Sprachforscher
zurückgreifen kann, ist die 1000-Wörter-Sammlung des ehemaligen
Kiez-Kellners, Barbesitzers und Spirituosenhändlers Günther Silvester.
Titel: "Nachtjargon von A bis Z", erschienen um 1968.

Abendblatt-Leser Georg Andresen hatte dem Wissenschaftler dieses Büchlein
zugeschickt, als er im vergangenen Jahr von dessen Sprachforschungen über
die Hafensprache erfahren hatte. Eine Kostprobe: "Mach'n Seit stepp, sonst
gibt's Hongkong-Schwalben." Auf Hochdeutsch heißt das etwa: Geh aus dem Weg,
sonst gibt es einen Schlag mit der Handkante.

Siewert ist unermüdlich auf der Suche nach weiteren Quellen und Zeugen, die
etwas zur Kiezsprache beisteuern können oder irgendwelche Unterlagen dazu
haben: "Das kann auch Hingekritzeltes auf Bierdeckeln oder Abreißzetteln
sein", sagt er. Die bisher gesammelten Ausdrücke hat er sich bereits von
"Gewährsleuten" aus St. Pauli erklären und bestätigen lassen. "Aber es ist
immer schwieriger, an verlässliche Zeugen zu kommen", sagt er.

Hinweise zur Kiezsprache (auch Fotos zur Buchillustration) an: Dr. Klaus
Siewert, Robert-Koch-Str. 12, 48149 Münster, 0251/849 32 39. Der
Sprachforscher ist vom 4.-6.9. in Hamburg (Hotel St. Annen): 040/31 77 13-0,
Fax: 31 77 13-13.

erschienen am 3. Sep 2003 in Wissenschaft

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