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<div style="TEXT-ALIGN: center"><font face="arial,helvetica,sans-serif">===========================================<br>L O W L A N D S - L - 22 September 2009 - Volume 01<br></font><font face="arial,helvetica,sans-serif"><font color="#999999"><a href="mailto:lowlands@lowlands-l.net">lowlands@lowlands-l.net</a> - <a href="http://lowlands-l.net/">http://lowlands-l.net/</a><br>
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<div><font face="arial,helvetica,sans-serif">From: Jonny <</font><a href="mailto:jonny.meibohm@arcor.de"><font face="arial,helvetica,sans-serif">jonny.meibohm@arcor.de</font></a><font face="arial,helvetica,sans-serif">></font></div>
<div><font face="arial,helvetica,sans-serif">Subject: LL-L "Language politics"</font><br><br><font face="courier new,monospace">Beste Lowlanners,<br> <br>hier einige Auszüge aus einem Werke von 1834, welches ich kürzlich im "Project Gutenberg" fand. Den kompletten Text findet Ihr hier: </font><a href="http://www.gutenberg.org/etext/12660"><font face="courier new,monospace">http://www.gutenberg.org/etext/12660</font></a><br>
<font face="courier new,monospace"> <br>Ich muss leider gestehen, dass ich die Ansichten des Autors, eines Dr. Ludolf Wienbarg (1802-1872), in vielen Punkten durchaus teilen kann; einige seiner Argumente hätten auch noch in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gepasst, als ich selbst die ländliche Grundschule besuchte.<br>
 <br>Macht Euch selbst ein Bild! Viel Vergnügen!</font><br> <br><font face="courier new,monospace">Zitat Anfang<br> <br></font><font face="arial,helvetica,sans-serif">Was<br>namentlich die Frage betrift, welche den Gegenstand dieser kleinen<br>
Schrift ausmacht: "_ist die niedersächsische Volkssprache zu pflegen<br>oder auszurotten?_" so antworte ich aus innigster Ueberzeugung und aus<br>Gründen, welche ich darlegen werde: _sie ist auszurotten, durch jedes<br>
mögliche Mittel auszurotten_....<br>...Auszusterben ist das<br>nothwendige und natürliche Schicksal der plattdeutschen Sprache. Nichts<br>kann sie vom Untergang retten. Schreibt plattdeutsche Lustspiele,<br>Idyllen, Lieder, Legenden--umsonst; das Volk liest euch nicht--liest es<br>
nur den Reineke de Vos?--ihr begründet keine plattdeutsche Literatur,<br>ihr macht die verblühende Sprachpflanze durch euren poetischen Mist<br>nicht blühender--sie wird aussterben...<br> <br>...daß keine Sprache gegenwärtig auf dem Erdboden<br>
gesprochen wird, die an Bau und Künstlichkeit jener alt-plattdeutschen [gemeint ist vermutlich Alt- oder Mittelnieder- Sächsisch]<br>Sprache das Wasser reichte. Die grammatische, innerliche Gediegenheit<br>hatte sie mit den ältesten Grundsprachen und mit ihrer oberdeutschen<br>
Schwester gemein und übertraf diese vielleicht an Klang, Kraft und<br>Wohllaut...<br>... Die<br>niedersächsische Sprache dagegen hat ihre Jugend und stählerne Kraft<br>verloren; ohne an Verstand und innerer Feinheit zu gewinnen. Ihre<br>
grammatischen Formen wurden zerstört ... in noch höherem Grade, als die<br>der Schwestersprache, ...[gemeint ist Standard-Hochdeutsch; lutherisches Deutsch)<br> <br>...Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit<br>
der hochdeutschen Sprache. Mit Händen und Füßen sträubt sich der Knabe<br>dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloß seine bisherige Freiheit<br>verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren lernen, was auch<br>
andern Kindern Herzeleid macht; er soll überdies in einer Sprache<br>
buchstabiren und lesen lernen, die er nicht kennt, die nicht mit ihm<br>aufgewachsen ist, deren Töne er nicht beim Spiel, nicht von seiner<br>Mutter, seinem Vater, seinen kleinen und großen Freunden zu hören<br>gewohnt war....<br>
 <br>...Erreicht er das gesetzliche Alter, so wird er konfirmirt. Wer ist froher<br>als er. Nun tritt er völlig wieder in das plattdeutsche Element zurück,<br>dem er als Kind entrissen wurde. Er hat die ersten Forderungen des<br>
Staates und der Kirche erfüllt. Er hat seinen Taufschein durch seinen<br>Confirmationsschein eingelös't. Ersteren bekam er ohne seinen Willen zum<br>Geschenk, um letzteren mußte er sich, auch wider seinen Willen, redlich<br>
abplacken.<br>Auf beide Scheine kann er später heiraten und Staatsbürger werden....<br> <br>...Folgen wir ihm, wenn er aus der Kirche kommt. Die Predigt ist<br>herabgefallen, der Gesang verrauscht wie ein Platzregen auf seinen<br>
Sonntagsrock, zu Hause zieht er diesen aus und hängt ihn mit allen<br>Worten und himmlischen Tropfen, die er nicht nachzählt, bis zum<br>künftigen Sonntag wieder an den Nagel. Frage: kann er die hochdeutsche<br>Predigt hochdeutsch durchdenken,...<br>
 <br>...Wer auf der Gefühlsleiter in deine Herzkammer<br>herabsteigen will, muß wollene Strümpfe und hölzerne Schuh anziehen, in<br>schwarzseidenen Strümpfen dringt man nicht bis dahin. ... daß die<br>hochdeutschen Wörter und die plattdeutschen Wörter, die du darin hast<br>
sich gar nicht gut mit einander vertragen, sich nicht verstehn und sich<br>im Grund des Herzens fremd, ja feind sind. Die plattdeutschen Wörter<br>sind deine Kinder..., die hochdeutschen sind der Schulmeister, der Herr Pastor, der<br>
Herr Amtmann, vornehme Gäste, die dir allzuviel Ehre erweisen, in deinem<br>schlechten Hause vorzukehren, mit dir vorlieb zu nehmen, Wörter in der<br>Perrücke..., welche deine und deiner plattdeutschen<br>Wort-Familie Behaglichkeit stören,...,<br>
dir bald von Abgaben, bald von Tod und jüngsten Gericht vorsprechen,<br>Grablieder über deinen Sarg singen werden, ohne sich über deine Wiege<br>gebückt und _Eia im Suse_ und andere Wiegenlieder gesungen zu haben.<br>Armer Bauer, ich habe dich immer in Schutz genommen und diese Schrift,<br>
obgleich du sie nicht lesen wirst, ist eigentlich nur für dich und zu<br>deinem Heil und Besten geschrieben. ...<br> <br>...Thatsache ist nämlich, daß die plattdeutsche Sprache Haus- und<br>Familiensprache in Tausenden von Beamtenfamilien, Lieblingssprache auf<br>
allen norddeutschen Universitäten ist. Diese Sprache also, die ich als<br>Schranke alles Strebens und Lebens, als Feindin der Bildung betrachte,<br>ist dieses so wenig in den Augen vieler meiner Landsleute, daß sie den<br>
vertrautesten Umgang mit ihr pflegen, daß sie ihr, der von Kanzel und<br>Lehrstuhl und aus guter Gesellschaft längst Vertriebenen, eine<br>Freistäte am Heerde ihres Hauses gewähren....<br> <br>...ohne schädlichen Einfluß und gleichsam indifferent für Geist und<br>
Bildung_ zeigte sich die plattdeutsche Sprache, da, wo sie der<br>hochdeutschen nicht als Fremde gegenüber steht, sondern schwesterlich<br>zur Seite geht...<br>...Zwei Sprachen<br>auf der Zunge sind zwei Seelen im Leibe. Ist die eine Sprache die<br>
geliebtere, die Herzenssprache, so ist die andere, für welche Zwecke sie<br>auch aufgespahrt wird, um ihren schönsten Anteil am Menschen zu kurz<br>gekommen.<br> <br>[Es folgt eine Tirade gegen J.H. Voß, den begnadeten Übersetzer Homers - er habe der deutschen Sprache 'niedersächsischen Zwang' angetan...*g*)<br>
 <br>...der<br>Gebrauch (der niedersächsischen Sprache) sei ein guter und treflicher in Rücksicht auf den Charakter<br>der Hausgenossen, weil mit der Sprache der Väter auch ihre alte<br>ehrliche und treue Sitte, ihre Herzlichkeit, Gradheit und Biederkeit<br>
sich auf die Enkel fortpflanze.<br>... ich weiß nicht ob unsere Urgroßväter so<br>ganz diesem schmeichelhaften Silbe glichen. Es ist sonderbar damit, man<br>spricht immer von der guten alten Zeit und jedes aussterbende Geschlecht<br>
vermacht die Sage davon an das aufblühende und die gute alte Zeit selbst<br>läßt sich vor keinem sterblichen Auge sehn und ist immer um einige Stieg<br>Jahre älter, als die ältesten lebenden Menschen....<br> <br>...Da sich im Plattdeutschen einmal<br>
nichts Gescheutes sprechen läßt, so nimmt die plattdeutsche<br>Gemütlichkeit nur zu leicht den Charakter der Trägheit an....<br> <br>...Oder was zieht ihr vor an der plattdeutschen Sprache? Ich weiß die<br>Antwort nur zu gut, "sie macht uns Spaß[7]; sie ist uns gemüthlich."<br>
Chorus von Göttingen, Rostock, Greifswalde, Kiel, sie macht uns Spaß,<br>sie ist uns gemüthlich, es wird uns wohl dabei! Auch in Jena,<br>Heidelberg, Berlin, Bonn, wohin wir kommen und wo unserer zwei bis drei<br>beisammen sind, da ist sie mitten unter uns. Sie gehört mit zum Wesen<br>
der norddeutschen Landsmannschaft und das wäre kein braver Holsat oder<br>Meklenburger, oder Oldenburger, der nicht wenigstens drei Plattitüden am<br>Leibe hätte, plattes (Mütze) auf dem Kopf, plattes (Mappe) unter'm Arm<br>
und das liebe Platt im Munde...<br> <br>...Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie fällt<br>Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das<br>Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein<br>
selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland....<br> <br>...Ich habe bisher darzustellen<br>gesucht, daß die plattdeutsche Sprache sowol an sich unfähig sei, die<br>Keime der Civilisation zu fassen als auch, so lange sie tägliche<br>
Umgangssprache in Niedersachsen bliebe, alles Bemühen zur Civilisation<br>durch das Mittel der hochdeutschen Sprache vereiteln müsse. Ich habe<br>diese Wahrheit nicht allein auf die unteren Kreise beschränkt, ich habe<br>
fühlbar zu machen gesucht, wie ohne unterliegende allgemeine<br>Volksbildung, auch die höhere Bildung des Einzelnen gefährdet sei und<br>zum Beispiel die Extreme auf der jetzigen Leiter unserer Kultur, Bauer<br>und Student oder Studirter, sich in demselben rohen und bildunglosen<br>
Medium wieder berühren....</font></div>
<div><font face="courier new,monospace"><font face="arial,helvetica,sans-serif">...Wer aber soll helfen gegen das Plattdeutsche im Volk? Wie kann dem<br>Hochdeutschen geholfen werden?...<br>Wer? Alle Welt, nur der Staat nicht. Was der Staat gegen das<br>
plattdeutsche und für das Hochdeutsche thun konnte, hat er gethan, indem<br>er jene aus der Kirche verbannt und sie vom Gerichtshofe ausschloß....<br>...Die wichtigsten Exekutoren der legislativen Gewalt öffentlicher Meinung<br>
sind aber in unserm Fall unstreitig die Schullehrer, insbesondere die<br>auf dem Lande....Ihre Hauptaufgabe wäre, dahin zu streben, das Hochdeutsche<br>_vertraulicher_ und _herzlicher_ zu machen--ein Weg, der nur durch die<br>
_Fertigkeit_ und _Unbekümmertheit der Zunge_ hindurchgeht. Ihre Arbeit<br>ist in der Schule, in den Familien, vor der Kommüne. Was die _Schule_<br>betrift, so würde ich den Rath geben, in den ersten Schuljahren die<br>Kinder weder zum Schreiben noch zum Lesen anzuhalten, nur zum Sprechen....<br>
So viel ist gewiß, wäre ich Schullehrer, so würde ich für's Erste nur<br>ein Ziel kennen: mein Dorf zu verhochdeutschen....<br>Eine Bürgerkrone würde ich glauben verdient zu haben, wenn man mir im<br>Alter nachrühmte: er hat diesen Flecken, sein Dorf, das sonst so dunkle,<br>
dumpfe, plattdeutsche Nest, mit der Kette der Civilisation in Kontakt<br>gesetzt durch Ausrottung der plattdeutschen und Einführung der<br>Bildungssprache Deutschlands.</font><br></font> <br><font face="courier new,monospace">Zitat Ende <br>
Allerbest!<br>Â <br>Jonny Meibohm<br>Lower Saxony, Germany</font></div>
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<div>----------<br><br>From: R. F. Hahn <<a href="mailto:sassisch@yahoo.com">sassisch@yahoo.com</a>><br>Subject: Language politics<br><br>Jonny, Lowlanders,<br><br>Unless I totally misunderstand it, the basic premise of the author's thesis appears to be the typical one prior to the late 20th century: a language is only then valuable and thus worth saving if it has complex morphological forms, that languages that do not have developed such forms are "primitive" and that those that have lost them are "debased". (The latter would apply to English, and English would thus be worth abandoning, in his words "eradicating," if we follow his way of thinking.)</div>
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<div>This was indeed still the predominant attitude in 1950s Northern Germany. I am convinced that it is in large part the result of centuries of "classical education," indoctrination in which the complex grammars of Latin and Greek were portrayed as being supreme linguistic hallmarks of "true civilizations."<br>
<br>Fortunately, I would say, most people these days have moved beyond that type of thinking and assume that languages, like cultures, are resiliant, will constantly reinvent themselves unless there are concerted efforts to eradicate them and obstacles and discouragement can no longer be overcome. One manner of eradication is denigration (beginning with the characterization "primitive" or "debased"). The other other is deliberate, gross neglect. The two tend to go hand in hand. Furthermore, as we have expanded our view globally, it has become abundantly clear that morphological complexity (which is not necessarily the same as "grammatical complexity") says nothing about civilization, at least not about levels of political and technological development or decline.<br>
<br>That's my <em>groschen</em> worth's this morning.<br><br>Regards,<br>Reinhard/Ron<br>Seattle, USA</div>
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