[Etymologie-Newsletter] Etymologie-Newsletter 2003.08.

Horst Conrad conrad-horst at t-online.de
Sun Aug 3 05:55:32 UTC 2003


     

Etymologie-Newsletter 2003.08. 

Etymologie, Etymology, Wortgeschichten
Die Lehre von der Wortherkunft 

Link zur HTML-Version: http://www.etymologie.org/etnl/etnl2003.08.html


Inhalt
Begruessung / Feedback / Korrekturen / Vorwort 
Wortgeschichten 
Linktipp 
Buchtipp 
Impressum 



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Begruessung / Feedback / Korrekturen / Vorwort
Liebe Etymologie-Amateure (und Profis), 

ich begruesse Sie zum neuen Etymologie-Newsletter 




Das Wort des Monats August ist "Castor"
(E1)(L1) http://www.etymologie.org/
Die Wortgeschichte von Christoph Gutknecht ist auf dem Etymologie-Portal in der linken Navigationsleiste unter "Das Wort des Monats auf www.etymologie.org" aufzurufen. 


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Wortgeschichten
(E1)(L1) http://www.wortherkunft.de/
Als Wortgeschichten habe ich mir heute die Familie um die drei Buchstaben 'gar' vorgenommen: 


gar, ganz und gar, gar nichts, sogar, Garage, Garantie, Garaus, den Garaus machen, garbage, Garbe, Garde, Garderobe, Gardine, Gardinenpredigt, garni, garnieren, Garnison, Garnitur, Garn, Garten, Garfield (W1)
(E?)(L?) http://www.garfield.com/
(E?)(L?) http://www.najaco.com/directory/meaning_names/names_eng/g.html
(E?)(L?) http://www.behindthename.com/messages/27525.html
Auf der Suche nach dem Ausdruck 'jemanden den Garaus machen' bin ich auf 'gar' aufmerksam geworden. Ich denke, was sich hinter diesen drei Buchstaben versteckt, reicht aus für einen interessanten Artikel. 

Die drei Buchstaben 'gar' kommen in vielen Begriffen vor. Aber sie kommen 'sogar' allein vor, also 'ganz und gar' ohne andere Buchstaben. Und dabei sind sie 'gar' nicht so ohne. 

Zunächst mal kennt man 'gar' vom Kochen. Ein Gericht ist 'gar', wenn es fertig gekocht (Kartoffeln) oder gebraten (Fleisch) ist, also 'bereit zum Essen ist. Und genau diese Bedeutung hatte das ahd. 'garo' = 'bereit', 'gerüstet'. Aber auch 'ganz' steckt in 'gar', was in der Zwillingsformel 'ganz und gar' = 'ganz und bereit' (oder 'ganz und ganz' - also ein "weisser Schimmel") oder in 'gar nichts' = 'ganz nichts', 'vollkommen nichts' zu sehen ist. Jemand kann auch eine 'gar' traurige, eine 'völlig' traurige Geschichte erzählen. 

In 'sogar' = 'so ganz', 'so bereit', muss man schon etwas überlegen, um auf die heutige Bedeutung 'obendrein, überdies, mehr noch' zu kommen. Etwas ist also 'so weit bereit' dass man 'sogar' 'noch etwas mehr als das Erwartete' erhält. 

In Österreich kennt man anscheinend 'gar' auch in der Bedeutung 'aufgebraucht', 'aufgezehrt'. Demnach kann ein Gericht zweimal gegart werden. Einmal wenn es bereit zum Essen ist und dann wenn es (ganz) gegessen ist. In diesem Fall schillert 'gar' zwischen vollkommener Existenz und vollkommener nicht-Existenz hin und her. 

Und nun habe ich mich gefragt: Was ist mit den vielen anderen Begriffen, in denen 'gar' ebenfalls vorkommt? 

Was ist z.B. mit der 'Garage' von (germ.-)frz. 'garer' = 'in Sicherheit bringen'? - Steckt darin nicht auch die Bedeutung 'ganz' im Sinne von 'die Vollständigkeit / die Unversehrtheit erhalten'? 

Was ist mit der 'Garantie', der 'festen Zusicherung', der 'Gewähr für Sicherheit' (, Funktionsbereitschaft und Vollständigkeit)? 

Ja, und dann kommen wir alphabetisch schon zu dem eingangs erwähnten 'Garaus', dem 'vollständigen Aus'. Dies würde schon ausreichen, um die Bedeutung von 'jemandem den Garaus machen' herzuleiten. - Aber es gibt noch eine schöne Wortgeschichte hierzu, die der Duden zu erzählen weiss.
In Süddeutschland wurde die Polizeistunde mit 'gar aus' = 'vollständig aus' verkündet. Diesen Ausdruck übertrug man auf das Tagesende allgemein und schliesslich sogar auf den Glockenschlag, der das Tagesende kundtat.
Und wenn man jemandem den 'Garaus macht', bereitet man ihm nicht nur ein Tagesende sondern 'sogar' ein Lebensende'. In übertragendem Sinn kann es natürlich auch bedeuten, dass man jemandem die Geschäftsgrundlage entzieht. 

Aber gehen wir weiter im Alphabet: 

Könnte in dem engl. 'garbage' = 'Müll, Abfall' nicht auch die Bedeutung 'ganz verbraucht' stecken? 

Als nächstes haben wir dann die 'Garbe, von ahd. 'garba' = 'Zusammengegriffenes'. Kann man sich da nicht auch eine Verbindung zu 'gar' = 'ganz' vorstellen? - Eine 'ganze Handvoll', einen 'ganzen Arm voll'. 

Dann gibt es da noch die Gruppe 'Garde' (von frz. 'garder' = 'schützen'), 'Garderobe' (die 'Kleideraufbewahrung') und 'Gardine', die zwar auf lat. 'cortina' = 'Vorhang' zurückgeführt wird, die aber auch als Sichtschutz der Wahrung der persönlichen Intimssphäre also der persönlichen Integrität dient - (und um dahinter die 'Gardinenpredigt' den Augen und möglichst auch den Ohren der Kinder 'ganz' zu verbergen). 

Nun kann man sich 'garni' zuwenden, das im Deutschen in erster Linie zusammen mit 'Hotel' auftritt. Dort erhält man lediglich Übernachtung und Frühstück. Dieses erhält man als 'Garnierung', als 'Ausrüstung für den Tag'. 

Aber 'garnieren' von frz. 'garnir' = '(aus)rüsten' könnte durchaus etwas mit 'ganz und gar' im Sinne von 'Vervollständigen' zu tun haben. 

Die 'Garnison' als 'Gesamtheit der an einem Standort stationierten (Besatzungs-)truppen' hat aber wohl offensichtlich etwas mit 'gar' zu tun und zwar sowohl mit dem Bedeutungsinhalt 'ganz', als auch mit dem Bedeutungsinhalt 'gerüstet'. 

Dagegen hat die 'Garnitur', die 'Gesamtheit von Ausrüstungsgegenständen' z.B. in 'Wäschegarnitur' doch einen etwas zivileren Charakter. 

Der 'Garten' dient dem Schutz des 'Umzäunten' (ahd. 'garto') und damit dem (vollständigen) Erhalt der Pflanzen. Der 'Zaun' stellt ja auch die 'Rüstung' des 'Gartens' dar. 

Ja und da ist man auch schon am Ende der lexikalischen 'gar'-Liste. Aufgefallen ist mir noch 'Garn', das auf die Bedeutung 'Darm' zurückgeführt wird. Diesem ist 'so gar' kein Zusammenhang zu 'gar' anzusehen - es sei denn über die Vorstellung, dass dort nun endlich die Verdauung des oben genannten 'garen' Bratens seinem Abschliessenden Ende entegengeht, so dass nun die dritte Stufe des 'Garens' erreicht wird. 

Selbstverständlich enthält ein grosses Lexikon noch weitere Wörter, die mit 'gar' beginnen, aber da erschien mir eine Verbindung zu 'ganz und gar' doch gar zu weit hergeholt. Und ich habe mir sogar schon - als nicht beruflich nicht vorbelastetem Hobby-Etymologen - die Narrenfreiheit erlaubt, sehr grosszügige Wort-Verbindungen zu knüpfen. Wenn Sie hier also seriöse Hinweise haben, die meine Ausschweifungen widerlegen oder 'sogar' bestätigen, dann lassen Sie sie mir zukommen. 

Da ist mir nun aber doch noch der 'Garfield' eingefallen.
>From a surname meaning "triangle field" in Old English. This is the name of a cat in Jim Davis's cartoon strip 'Garfield'.
Originally, 'Garfield' was a place name (Old English 'gar' = 'spear' = 'Speer' + 'field', zusammen also 'Rüstfeld', heute vielleicht 'Exerzierplatz'). Later it was used as a surname and nowadays you'll find it as a first name as well.
'Garfield' war also 'der vom Speerfeld / vom Rüstfeld', also der 'Gerüstete', und dürfte also auch mit unserem 'gar' zusammenhängen. 

Und spätestens hier rückt nun doch der 'Ger' der germanische Wurfspieß ins Blickfeld. Mit einem 'Ger' waren noch die mittelalterlichen Spiessbürger bestens gerüstet. 


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Linktipp
(E?)(L?) http://dmoz.org/World/Deutsch/Wissenschaft/Geisteswissenschaften/Sprache_und_Linguistik/Etymologie/
Der Linktipp für heute ist: 

Als Linktipp möchte ich heute mal den DE-, FR-, UK- und US-Rahmen etwas erweitern. Der folgende Link ist in erster Linie für portugiesisch-Sprechende interessant. Aber auch ohne portugiesisch-Kenntnisse kann man der Seite einige interessante Hinweise abgewinnen. Zumal es ja um Begriffe geht, die aus anderen Sprachen in die portugiesische Umgangssprache aufgenommen wurden. 


uol - Michaelis - Moderno Dicionário da Língua Portuguesa
(E2)(L1) http://www.uol.com.br/michaelis/
unter "Expressoes em latim e em outras linguas" findet man eine lange Liste portugiesischer Fremdworte aus dem Lateinischen und aus anderen Sprachen. 

Die folgenden Begriffe haben auf der verlinkten Seite die Kennzeichnungen: 
'al' (deutsche Herkunft) 
'esp' (spanische Herkunft) 
'fr' (französische Herkunft) 
'gr' (griechische Herkunft) 
'hebr' (hebräische Herkunft) 
'ingl' (englische Herkunft) 
'ital' (italienische Herkunft) 
'lat' (lateinische Herkunft) 
Dahinter findet man die Herkunft jedes Stichworts mit ein bis drei Zeilen erklärt.
Damit dürfte die Bewertung mit (E2) gerechtfertigt sein. 

PALAVRAS E EXPRESSÕES MAIS USUAIS DO LATIM E DE OUTRAS LÍNGUAS ESTRANGEIRAS 

Die Liste der Begriffe kann auch auf dem Etymologie-Portal unter "PT Wortsammlungen von" - "PT www.uol.com.br/michaelis" nachgeschlagen werden. (Allerdings ohne die entsprechenden Hinweise. Ich möchte nicht ganze Seiten übernehmen, sondern nur Appetit wecken auf die Original-Seiten.) 


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Buchtipp
Die Buchempfehlung für heute ist: 


Pini, Udo (Hrsg.)
(E1)(L1) http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3829014430/conradhorst0b-21
Das Gourmet-Handbuch
Könemann, 1056S. 

Klappentext
In diesem Band von A-Z: 
was Gourmets über ihre Genüsse verraten 
wie berühmte Marken wurden, was sie sind 
wie sich Kenner von Bluffern unterscheiden 
was von allerlei New food zu halten ist 
wie ausgekochte Infos die Genüsse würzen 
welche Trends en vogue oder out sind 
wovon auf den Speisekarten die Rede ist 
was an der Feinschmeckerei skurril ist 
welche Köstlichkeiten kein Ekelfood sind 
was früher so alles aus der Küche kam 
was in Lebensmitteln alles drin ist 
was an exotischen Produkten dran ist 
was im Ausland alles aufgetischt wird. 
Dieses Buch möchte ich empfehlen, solange es noch erhältlich ist. Ich habe bisher zwar noch keine Pressemeldung dazu gefunden, aber als ich vor einigen Monaten nach diesem Buch suchte und fragte erhielt ich die Auskunft, dass der Könemann-Verlag nicht mehr existieren würde. Seit einigen Wochen sind fast in allen Buchhandlungen wieder Könemann-Bücher zu finden. Allerdings soll es sich dabei um Restexemplare handeln. Ich fände es jammerschade, wenn es keine weiteren Könemann-Bücher mehr geben sollte. Aber wie dem auch sei - hier soll es um ein ganz bestimmtes Buch gehen.
Das Gourmethandbuch ist allein schon durch seine 1.000 Seiten und seine vielen Bilder und Informationen ein optischer Genuss. Und das zu einem Preis, für den man gerade mal noch eine Mahlzeit im Restaurant bestreiten kann.
Und das Buch ist gespickt mit Worterklärungen und Wortgeschichten zu Speisen, Zutaten, Rostoffen und Instrumenten. Wussten Sie z.B., dass der 'Teller' von lat. 'taliare' = 'spalten, schneiden' über altfrz. 'tailleoir' = 'Fleisch-, Hack-, Vorlegebrett' kommt und also ein 'Teiler' sein müsste? Oder dass in der Aalsuppe zwar Aal drin sein kann, aber nicht drin sein muss - die norddeutsche Bezeichnung bedeutet nämlich 'Alles (drin) Suppe'. Die Limonade kommt von der 'Limone'. Die 'Melone' ist ein griech. 'Apfel'. Die 'Seezunge' hiess bei den Griechen 'Rindszunge' und bei den Römern 'Jupiters Sandale'.
Und so geht es durch das ganze Buch. Auf jeder Seite findet man mindestens eine lateinische Herleitung und oder eine kleine Wortgeschichte. Diese Buch kann ich wirklich nur empfehlen. Die Informationsfülle ist wirklich erschlagend. Deshalb sollten Sie es in kleinen Häppchen geniessen. Dann haben Sie garantiert lange an diesem Buch Ihre Freude und müssen nicht am 'Hungertuch' nagen (das ja zum Verhüllen des Altars während der Fastenzeit gebraucht wird). 


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Impressum
Erscheinungsdatum 08.2003 
Titel Etymologie-Newsletter 
ISSN
International Standard Serial Number - ISSN 1610-2320 (10.07.2002) (E-Mail-Version)
- ISSN 1610-3165 (22.07.2002) (Internet-Archiv-Version)
Die Deutsche Bibliothek
weltweites Verzeichnis des ISSN International Centre in Paris
 
Herausgeber
Postanschrift Horst Conrad
Kneippstr.6
D-66482 Zweibrücken 
Newsletter-Provider http://www.domeus.de/ 
E-Mail mailto:conrad-horst at etymologie.info
 
siehe hierzu auch: (E?)(L?) http://www.s-a-ve.com/faq/Anbieterkennzeichnung.htm
(E?)(L?) http://www.presserecht.de/gesetze/mdstv.html - Anbieterkennzeichnung
 
Erscheinungsweise etwa woechentlich die Liste der gesuchten Begriffe auf "www.etymologie.org"; und etwa alle 4 Wochen ein "richtiger" Newsletter 
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Errare humanum est, perseverare diabolocum, corrigere divinum!
Irren ist menschlich, am Irrtum festhalten teuflisch, (sich) korrigieren (koennen) goettlich!

oder 

Humanum fuit errare, diabolocum est per animasitatem in errore manere.
Menschlich ist es zu irren, teuflisch ist es, leidenschaftlich im Irrtum zu verharren.



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