Stammformen und Stammgruppen

Andreas Nolda andreas.nolda at CMS.HU-BERLIN.DE
Mon Apr 28 13:56:34 UTC 2008


Hans-Heinrich Lieb schrieb:

> Andererseits läßt die Theorie Stammformen zu, die keine
> Flexionsformen sind, und verlangt auch nicht, daß es in jedem
> Lexemparadigma Flexionsformen gibt oder daß es zu jedem
> Stammformparadigman ein entsprechendes Wortparadigma geben muß.
> (Umgekehrt hat jedes nicht-idiomatische Wortparadigma genau ein
> Stammformen-Paradigma.)

Muss jedes Stammformparadigma zugleich das Paradigma eines Lexems 
sein? Anders formuliert: Muss es zu jedem Stammformparadigma 
(mindestens) ein Lexem geben? Aus theoretischen Gründen wäre dies 
wünschenswert. Empirisch gesehen kann dies aber zu Schwierigkeiten 
führen.

Nehmen wir als Beispiel eine sogenannte 'Präfixkonversion' wie 
_auftischen_W (ungefähr: 'auf den Tisch bringen') mit einem 
'trennbaren Präfix' (also einer Partikel). Für die Bildung der 
einfachen Formen von _auftischen_W gibt es, soweit ich sehe, die 
folgenden beiden Alternativen.

Entweder man setzt Flexionsstammformen wie _auf_1 _tisch_2 an. Dagegen 
spricht jedoch, dass sämtliche Formen von _auftischen_W syntaktisch 
trennbar und somit syntaktisch gebildet sind.

Alternativ bildet man zunächst einfache Formen wie _tischen_1 unter 
Verwendung von Flexionsstammformen wie _tisch_1 und verkettet 
diese anschließend per Derivation mit _auf_. Hier ist jedoch unklar, 
was die begriffliche Bedeutung einer solchen Stammform sein könnte. 
(Was ist 'auftischen' minus 'auf'?) Damit ist ebenfalls unklar, ob 
man für diese Stammformen ein entsprechendes Lexem oder gar ein 
entsprechendes lexikalisches Wort ansetzen kann.

Mit etwas ratlosen Grüßen,

Andreas Nolda
-- 
Dr. Andreas Nolda           http://www.linguistik.hu-berlin.de/~nolda/

Humboldt-Universität zu Berlin
Philosophische Fakultät II
Institut für deutsche Sprache und Linguistik



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