36.3315, Calls: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik e.V. (Germany)
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Thu Oct 30 15:05:02 UTC 2025
LINGUIST List: Vol-36-3315. Thu Oct 30 2025. ISSN: 1069 - 4875.
Subject: 36.3315, Calls: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik e.V. (Germany)
Moderator: Steven Moran (linguist at linguistlist.org)
Managing Editor: Valeriia Vyshnevetska
Team: Helen Aristar-Dry, Mara Baccaro, Daniel Swanson
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Editor for this issue: Valeriia Vyshnevetska <valeriia at linguistlist.org>
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Date: 30-Oct-2025
From: Sebastian Zollner [sebastian.zollner at uni-greifswald.de]
Subject: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik e.V.
Full Title: Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Linguistische
Pragmatik e.V.
Short Title: ALP-Jahrestagung 2026
Theme: Pragmatik und Künstliche Intelligenz: Pragmatische Kompetenz
zwischen Mensch und Maschine
Date: 24-Feb-2026 - 24-Feb-2026
Location: Trier, Germany
Web Site: https://www.alp-verein.de/
Linguistic Field(s): Applied Linguistics; Computational Linguistics;
Discourse Analysis; Pragmatics; Text/Corpus Linguistics
Call Deadline: 14-Nov-2025
Call for Papers:
Die Tagung widmet sich dem spannungsvollen Dialog zwischen Pragmatik
und Computerlinguistik, der durch den rapiden Fortschritt von Large
Language Models (LLMs) neu entfacht wurde. Im Fokus stehen die Grenzen
und Gemeinsamkeiten von menschlicher und maschineller Kommunikation,
von der Modellierung pragmatischer Phänomene in KI-Architekturen bis
hin zur Analyse neuer Interaktionspraktiken (z.B. Prompting).
Keynotes: Tatjana Scheffler (Bochum) und David Schlangen (Potsdam)
Gesucht werden theoretische, konzeptionelle und empirische Beiträge zu
fünf Hauptschwerpunkten:
- Pragmatische Kompetenzen von KI-Systemen
- Architekturen pragmatischer KI
- Interaktionspraktiken mit und von KI
- KI als Werkzeug der pragmatischen Forschung
- Algorithmische Pragmatik und gesellschaftliche Folgen
Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz,
insbesondere der rapi-de Fortschritt Großer Sprachmodelle (LLMs) wie
ChatGPT und Gemini, haben den langjäh-rigen und fruchtbaren Dialog
zwischen Pragmatik und Computerlinguistik neu entfacht. Dieses
produktive Spannungsverhältnis fordert beide Disziplinen heraus, die
Grenzen und Gemeinsamkeiten von menschlicher und maschineller
Kommunikation neu zu definieren (vgl. die algorithmic pragmatics bei
Jones 2020 und Grundlagen bei Bender & Lascarides 2020). Die
KI-Pragmatik-Schnittstelle findet schon seit einiger Zeit zunehmend
Eingang in Standardwerke der Pragmatik (vgl. Cummings 2013, Kap. 8)
oder in Ansätze der computa-tional pragmatics (z. B. Bunt/Black 2000;
Jokinen/De Smedt 2012), während die KI-Forschung selbst erkennt, dass
ihre zentralen Themen – Problemlösung, Wissensrepräsen-tation,
Schlussfolgern, Planen, Kommunizieren und Handeln (vgl. Russell &
Norvig 2023)– tief in der pragmatischen Kompetenz verwurzelt sind.
Die Modellierung pragmatischer Phänomene hat sich dabei erheblich
gewandelt: Während frühe Arbeiten auf symbolische, regelbasierte
Ansätze setzten (vgl. Gillis/Daelemans/De Smedt 2009), verschiebt sich
der Fokus über pragmatisch-probabilistische Modelle mit expliziter
Inferenz-Architektur (vgl. Franke/Jäger 2016; Goodman/Frank 2016) hin
zu heute dominanten sub-symbolischen, distributionellen Ansätzen mit
Transformer-Modellen, die pragmatische Muster aus großen Datenmengen
extrahieren (vgl. Erk 2022). Vor diesem Hintergrund wird LLMs
zunehmend die Fähigkeit zugeschrieben, intelligente, d. h.
menschenähnlich wirkende Dialoge mit menschlichen Nutzer:innen zu
führen (vgl. Brommer/Dürscheid 2021; Bubenhofer 2024, S. 89f.), die
oft eine erstaunliche pragmati-sche und semantische Angemessenheit
zeigen (vgl. Bunt/Petukhova 2023, S. 1). Gleichzei-tig bleibt das
„Verständnis“ solcher Systeme fundamental begrenzt, da es sich um eine
„dumme Bedeutung“ handelt (Bajohr 2024), die sich grundlegend von
einer intentionalis-tisch-griceanischen Auffassung von Bedeutung
unterscheidet. Statt intentionalem Sprach-gebrauch rekonstruieren LLMs
lediglich jene pragmatischen Muster, die in den Trainings-daten
enthalten sind (vgl. Fried et al. 2023). Ihre Leistung variiert dabei
erheblich zwischen unterschiedlichen pragmatischen Phänomenen und
zeigt oft Defizite etwa bei der Regis-terwahl oder der Umsetzung von
Höflichkeitsstrategien (Barattieri di San Pietro et al. 2023; Lee/Cook
2024). Besonders deutlich treten Schwächen bei der Produktion und
Ver-arbeitung von Inferenzen und Implikaturen zutage (u. a. Ruis et
al. 2023; Lee/Wang 2023). Dennoch zeigen sich hier Fortschritte: Bojic
et al. (2025) dokumentieren eine klare Ent-wicklung von Modellen wie
GPT-2 – mit nahezu keinem pragmatischen Verständnis – hin zu GPT-4,
das in der Lage ist, implizite Bedeutungen nicht nur korrekt zu
identifizieren, sondern auch die zugrundeliegenden Mechanismen (etwa
„ambiguous language“) explizit zu benennen.
Eine zentrale Herausforderung bleibt die adäquate Dialogmodellierung
(z. B. Zarishe-va/Scheffler 2015; Scheffler 2017) indexikalischer
pragmatischer Phänomene, aber auch interaktionaler Aspekte wie
Anschlussfähigkeit und Kooperation (vgl. Schlangen 2005, S. 1). Die
weiterhin bestehenden pragmatischen Lücken sind wesentlich auf das
fehlende Grounding zurückzuführen – also auf die mangelnde Verankerung
sprachlicher Akte in einem multimodalen, interaktiven und sozialen
Kontext (vgl. Fried et al. 2023; aber auch Kennington/Schlangen 2025).
Dies führt zur kritischen Frage, ob pragmatische Kompetenz allein
durch Skalierung emergent entstehen kann oder ob ein Paradigmenwechsel
hin zu einer expliziten, neuro-symbolischen Modellierung notwendig ist
(vgl. Cambria 2025).
Neben diesen allgemeineren Tendenzen an der
KI-Pragmatik-Schnittstelle, fokussieren sich bisherige Studien zur
pragmatischen Kompetenz auf verschiedene zentrale Bereiche: das
Zusammenspiel menschlicher Prompts und KI-generierter Antworten (vgl.
Dynel 2023); darunter fallen etwa die Einhaltung von
Konversationsmaximen (Barattieri di San Pietro et al. 2023;
Kasirzadeh/Gabriel 2023; Miehling et al. 2024), das Verarbeiten von
Inferenzen (Barattieri di San Pietro et al. 2023; Gubelmann et al.
2024), pragmatischen Implikaturen (Lee/Wang 2023; Yue et al. 2024)
sowie die Realisierung von Sprechakten (Kasirza-deh/Gabriel 2023;
Schmidt et al. 2023; Sherstinova et al. 2024). Weitere Arbeiten widmen
sich spezifischen Sprachhandlungen wie Entschuldigungen, Bitten und
Ablehnungen (Lee/Cook 2024) oder untersuchen die situative bzw.
kontextuelle Angemessenheit von KI-generierten Äußerungen
(Bunt/Petukhova 2023; Lee/Wang 2023; Tao et al. 2024). Auch
gesprächslinguistische Phänomene wie Alignment (Kasirzadeh/Gabriel
2023; Ster-ken/Kirkpatrick 2025), Common Ground, Kooperation und
Recipient Design (Dom-bi/Sydorenko/Timpe-Laughlin 2022),
(Un-)Höflichkeitsstrategien (Lee/Wang 2023; An-dersson/McIntyre 2025;
Quan/Chen 2025; Zhao/Hawkins 2025), Informationsstruktur (Gerhalter
2024; Lee/Cook 2024) sowie Humor, Ironie und Sarkasmus im
Diskurskontext (Hessel et al. 2023; Robrecht et al. 2024; Lee et al.
2025) stehen im Fokus aktueller For-schung. Modelle wie ChatGPT zeigen
textpragmatische Kompetenzen in spezifischen Gen-res wie Liebes- oder
Dankesbriefen (Ortner 2024), die mitunter zu stilistischer
Übertrei-bung neigen, etwa durch eine Häufung von Metaphern (Burschik
2023), während das Er-kennen von Metaphern selbst eine Herausforderung
bleibt (Reimann/Scheffler 2025).
Dieser Call for Papers zur Jahrestagung 2026 der ALP lädt dazu ein,
diese interdiszip-linäre Forschungslandschaft neu zu vermessen sowie
aktuelle Tendenzen und Herausfor-derungen der pragmatisch fokussierten
Erforschung von Kommunikation mit bzw. von KI zu diskutieren. Wir
suchen theoretische, konzeptionelle und empirische Beiträge zu u. a.
folgenden Schwerpunkten:
(1) Pragmatische Kompetenzen von KI-Systemen, also die methodische
Analyse und das Benchmarking pragmatischer Fähigkeiten von LLMs, etwa
bei der Erkennung von Sprechakten (Sherstinova et al. 2024), bspw. der
Interpretation von Implikaturen (Qiu/Duan/Cai 2023; Hu et al. 2023),
der Wahrung von Register und Höflichkeit (Anders-son/McIntyre 2025)
oder im Umgang mit Bullshitting oder Täuschung (Deck 2023).
(2) Architekturen pragmatischer KI, etwa die Frage, wie pragmatisches
Wissen in KI-Architekturen entsteht bzw. modelliert und implementiert
wird/werden sollte, beispiels-weise durch probabilistische Ansätze (s.
Degen 2023), Systemprompts, gezieltes Alignment (Yu et al. 2025;
Sterken/Kirkpatrick 2025), bestimmte Trainingsmethoden (Wu et al.
2024) oder die explizite Integration von bestimmten Ontologien (Deck
et al. 2025) und Weltwissen (Jurafsky 2006).
(3) Interaktionspraktiken mit und von KI, z. B. die empirische
Untersuchung neuer sprachlicher und multimodaler Praktiken, die in der
Interaktion zwischen Mensch und KI-basierten Maschinen entstehen, etwa
bei neuen Praktiken des Promptings oder Program-mierens, denen
bestimmte Kommunikationsideologien zugrunde liegen
(Schus-ter/Bubenhofer 2025, S. 15), in unterschiedlichen
Rollenspiel-Genres (Persona-Prompting), der Aushandlung von
Turn-Taking (Bae/Bennett 2025), Reparaturmechanis-men (Thaler 2024)
oder der Nutzung von Smart Replies (Hohenstein et al. 2023) und
ande-ren Affordanzen bestimmter Interfaces (vgl. Hector 2024).
(4) KI als Werkzeug der pragmatischen Forschung, also der Einsatz von
KI als metho-disches Instrument, etwa zur Skalierung der Analyse durch
automatisierte Annotation von Sprechakten (Reinig/Rehbein/Ponzetto
2024) und dem Erkennen variantenreicher prag-malinguistischer
Phänomene wie dem Entschuldigen (Yu et al. 2024).
Machine-Learning-Ansätze zur Detektion soziopragmatischer Phänomene
(Bender 2023) wie Hate Speech oder Candy Speech (Scheffler et al.
2018; Scheffler/Solopova/Popa-Wyatt 2021; Clau-sen/Scheffler/Wiegand
2025), zur Generierung von Korpora und Stimulusmaterial
(Chen/Li/Yuting Ye 2024), zur Durchführung neuer experimenteller
Designs mittels geziel-ten Promptings sowie zur Bewertung
pragmatischer Angemessenheit als LLM-as-a-judge (Wu et al. 2024),
wobei auch die Anwendung von KI-Tools im (pragma-)didaktischen
Kon-text und die kritische Reflexion der methodischen Grenzen (Becker
2025, S. 199–203) von Interesse sind.
(5) Algorithmische Pragmatik und gesellschaftliche Folgen, z. B. die
Analyse der tiefgreifenden Veränderungen, die entstehen, wenn
Algorithmen als soziale Akteure bzw. mit AI agency (vgl. Kang/Lou
2022) nicht mehr nur Kommunikation vermitteln, sondern aktiv in sie
eingreifen und die Fragen lauten wie „algorithms ‘do things‘ with
people“ (Jones 2020, S. 24) bzw. was passiert, wenn Menschen
Algorithmen in ihrem Namen sprechen lassen (Hohenstein et al. 2023, S.
1). Weiter stehen dabei die Anpassung des menschlichen Sprachgebrauchs
an (vermutete) algorithmische Gesetzmäßigkeiten (z. B. Algospeak, s.
Wampfler 2025) im Fokus, ebenso wie die Entwicklung neuer
pragmatischer Kompeten-zen (als Teil von KI-Literacy) zur Navigation
in diesen opaken Umgebungen, die auch die Auswirkungen von
algorithmischen Akten (vgl. die spec acts bei Kirschenbaum 2024) in
den Blick nimmt.
Als Untersuchungsgegenstände kommen dabei unterschiedlichste
KI-basierte bzw. ge-stützte Technologien wie KI-Sprachassistenten,
verkörperte KI, KI-Chatbots und Large Language Models (LLMs) sowie die
in (sozialen) Plattformen integrierten KI-Algorithmen bzw.
KI-Funktionen in ihrer gesamten Variation in Frage. Untersuchungen
können die Analyse von mündlicher, schriftbasierter und multimodaler
Kommuni-kation umfassen. Dabei sind sowohl Untersuchungen zu dezidiert
pragmatischen Phä-nomenen im engeren Sinne (z.B. Implikaturen)
willkommen, als auch Arbeiten, die die Pragmatik im weiteren Sinne
fassen (z. B. Gesprächslinguistik, Medienlinguistik,
Dis-kurslinguistik, Textlinguistik sowie der
Deutsch-/Fremdsprachen-Didaktik). (2017)
Einreichung an: kontakt at alp-verein.de
Den vollständigen Call mit Literaturangaben finden sowie weitere
Informationen zur Tagung der ALP e.V. finden Sie unter:
www.alp-verein.de.
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