LL-L "Language policies" 2003.08.19 (02) [E/German]

Lowlands-L lowlands-l at lowlands-l.net
Tue Aug 19 15:13:15 UTC 2003


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L O W L A N D S - L * 19.AUG.2003 (02) * ISSN 189-5582 * LCSN 96-4226
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From: Mike <botas at club-internet.fr>
Subject: LL-L "Language policies" 2003.08.14 (01) [E/German]

Hi,
Ron wrote
> Below please find three German language articles that appeared in today’s
> _Hamburger Abendblatt_ (http://www.abendblatt.de/), one of Hamburg’s
> ...
> Enjoy!
It was a mixed pleasure (for the contents), but
Thanks, Ron (and to your brother) for keeping us up to date.
Mike Wintzer

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From: R. F. Hahn <sassisch at yahoo.com>
Subject: Language policies

Thanks, Mike.  And I'm cc'ing my brother Michael so he knows about your
appreciation.

In the meantime, an excerpt from my letter to the editor has appeared in the
paper (http://www.abendblatt.de/daten/2003/08/19/198009.html):

<quote>
Löbliches Ziel

"Klassiker statt Döntjes", HA, 14. August
Bravo und Dank für diesen Artikel, in dem der Autor über die momentan im
Bereich des Niederdeutschen wehende angeblich frische Brise berichtete,
wobei das Schwergewicht auf der (Wieder-)Aufnahme von "Platt" in die
Hamburger Schullehrpläne lag. Es ist ein löbliches Ziel, Hamburger Schülern
die Originalsprache Norddeutschlands (und der östlichen Niederlande)
nahezubringen, um das "Ernstnehmen" zu stärken.
Dennoch ist es traurig, dass dies im Rahmen des Deutschunterrichts geschehen
soll. Das Niederdeutsche (besser Niedersächsische) ist eine eigenständige,
separat vom Altsächsischen abstammende Sprache und sollte daher als
eigenständig behandelt und gelehrt werden.

Reinhard "Ron" F. Hahn, Seattle, USA, per E-Mail

erschienen am 19. Aug 2003 in Hamburg

</quote>

In a nutshell, it praises the (re-)introduction of the language in Hamburg's
schools but expresses regret that this is still being done within the
confines of German studies.  One of the parts omitted from my letter is
criticism of the Hamburg Education authorities, alleging that either this is
their way of appearing to do something in the way of ratifying the European
Language Charter while not touching the status quo or they demonstrated
their inability or unwillingness to "think outside the box":

<quote>
Bravo und Dank für den Artikel "Klassiker statt Döntjes" (14.8.03), in dem
Lutz Wendler über die momentan im Bereich des Niederdeutschen wehende
angeblich frische Brise berichtete, wobei das Schwergewicht auf der
(Wieder-)Aufnahme von "Platt" in die Hamburger Schullehrpläne lag.

   Es ist ein löbliches Ziel, Hamburger Schülern die Originalsprache
Norddeutschlands (und der östlichen Niederlande) nahezubringen, um das
"Ernstnehmen" zu stärken.  Dennoch ist es meiner Ansicht nach ein trauriger
Kommentar über die Denkweise des Hamburger Erziehungswesens, dass dies im
Rahmen des Deutschunterrichts geschehen soll.  Das Niederdeutsche (besser
"Niedersächsische") ist eine eigenständige, separat vom Altsächsischen
abstammende Sprache und sollte daher als eigenständig behandelt und gelehrt
werden (heutzutage in den meisten Fällen leider als Fremdsprache im eigenen
Land).

   Was wollen Hamburgs Erzieher, besonders der neue "Schoolmeesterkrink"
(wie er richtig heißen sollte), erreichen?  Die vorgeschriebene
Ratifizierung der Europäischen Sprachen Charter auszuführen ohne den Status
Quo anzutasten, ohne die alte, der Eindeutschung dienende Irreführung in
Frage zu stellen, dass die "niederdeutschen" Mundarten eine Teilmenge des
Deutschen sind?  Soll die Sprache weiterhin als dem Deutschen unterwürfig
behandelt werden?  Oder handelt es sich hierbei lediglich um einen Mangel an
kreativem Denken, um die Unfähigkeit der Hamburger Erzieher das zu tun, was
man hier in den Vereinigten Staaten "thinking outside the box" nennt?

</quote>

In the meantime, I have received a response from the Ministry of Culture of
the Free State of Saxony regarding the closure of a Sorbian school.  In a
nutshell, they explain that this Sorbian school is one among numerous
schools that are being closed and that this is not a case of targeting
Sorbian education, that the state takes its role of protector of Sorbian
language and culture seriously.

Below please find copies of my my letter and the response.

Regards,
Reinhard/Ron

<quote>
Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt
Archivstraße 1
01097 Dresden
Germany
ministerpraesident at dd.sk.sachsen.de | info at georg-milbradt.de

Betreff: Schule Chrósćicy/Crostwitz

Werter Herr Ministerpräsident,

Hiermit bringe ich Bestürztheit und Protest zum Ausdruck hinsichtlich der
Nachricht, dass die sorbische Schule in Chrósćicy/Crostwitz geschlossen
werden soll.  Zuerst schenkte ich dieser Nachricht keinen Glauben, da ich
mir nicht vorstellen konnte, dass im heutigen Deutschland und im seinen
Minderheiten nun respektierenden und beschützenden Europa die Regierung
eines deutschen Bundeslandes selbst unter schwierigen wirtschaftlichen
Umständen eine derartig rückständige und rückschrittliche Maßnahme erwägen
geschweige denn ausführen würde.  Allerdings handelt es sich hierbei
angeblich leider doch um eine Tatsache, um eine in diesem Zeitalter fast
unglaubliche Tatsache.

Die östliche Hälfte des Gebiets des heutigen Deutschlands besitzt seit
vielen Jahrhunderten ein bedeutendes slawisches Erbgut.  Dieses Erbgut wurde
in vergangenen Zeiten vernachlässigt und mit Füßen getreten, und zwar auf
Grund von Ethnozentrismus und der irrigen Annahme, dass sprachliche und
kulturelle Vielfalt hinderlich sind.  Alle polabischen und pomeranischen
Sprachvarianten Deutschlands sind uns Deutschen und somit der Welt unter
diesen traurigen Umständen verloren gegangen.  Kulturelle Reste dieser
Erbgüter sind nur noch schemenhaft in wenigen traditionellen Gemeinden
erhalten geblieben und schwinden rasch.  Unsere sich auch nach
nationalsozialistischer Unterdrückung noch als Sorben bekennenden Landsleute
stellen einen kleinen aber äußerst wichtigen Überrest des einzigartigen
slawischen Volkstums Deutschlands dar, besonders diejenigen, die noch des
Sorbischen mächtig sind und sich in ihm pflegend, lehrend und schöpferisch
betätigen.  Sie sind kostbare Schätze, die dem östlichen Teil Deutschlands
zur Wahrung gegeben sind.  Hinzu kommen Sorben und andere Deutsche, die sich
mit dem sprachlichen und kulturellen sorbischen Erbgut vertraut machen und
ihren Nachkommen intensive sorbische Schulung ermöglichen wollen.  Die
Bundesländer Sachsen und Brandenburg, in denen fast alle Sorbischsprachigen
beheimatet sind, sind somit sowohl privilegiert als auch verpflichtet den
Schwund des Sorbischen aufzuhalten und sorbische Sprache und Kultur in jeder
Hinsicht zu hüten und zu fördern.  Diese Verpflichtung sollte auch ohne
Bezug auf die in der Europäischen Sprachencharta beinhalteten Richtlinien
und Verpflichtungen außer Frage stehen.

Die Schließung einer sorbischen Schule wäre somit völlig unangebracht und
unverantwortlich.  Sie wäre eine katastrophale Maßnahme, die in aller Welt
mit Entsetzen und Bedauern betrachtet und als dem Sorbentum gegenüber
feindselig aufgefasst werden würde, eine Maßnahme, die das Bundesland
Sachsen nicht nur in Deutschland sondern auch auf internationaler Ebene in
ein schlechtes Licht stellen würde.

Bitte bedenken Sie, dass es sich bei der sorbischen Schulung um keinen
leicht zu entbehrenden Luxus sondern um eine Notwendigkeit handelt.  Bitte
bedenken Sie zudem, dass es sich hierbei nicht nur um eine interne
Angelegenheit des Landes Sachsens handelt.  Sie, Herr Ministerpräsident, und
Ihr Kabinett sind für die Bewahrung und Förderung eines wichtigen völkischen
Erbguts Deutschlands verantwortlich.  Ihre Einstellungen und Entscheidungen
in dieser Hinsicht werden in aller Welt erwartet, beobachtet und bewertet.

Ich bitte Sie somit mit äußerster Dringlichkeit die Schließung der
sorbischen Schule in Chrósćicy/Crostwitz zu verhindern.  Zudem bitte ich Sie
unseren sorbischen Landsleuten zukünftig auch in jeder anderen Hinsicht
günstige Bedingungen für Wahrung, Pflege und Förderung von Sprache und
Volkstum zu gewährleisten.

Hochachtungsvoll,
Reinhard F. Hahn

</quote>

<quote>

SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR KULTUS
Postfach 10 09 10 • 01079 Dresden

1 4. AUG. 2003
Schule in Crostwitz
Ihr Schreiben vom 10.07.2003, hier am 16.07.2003 eingegangen

Sehr geehrter Herr Hahn,

vielen Dank für Ihr Schreiben an Herrn Ministerpräsidenten Prof. Dr. Georg
Milbradt. Es wurde der zuständigen Abteilung im Säch­sischen
Staatsministerium für Kultus zur weiteren Bearbeitung übergeben.

Ihren Ausführungen zur Bedeutung der sorbischen Sprache und der
Notwendigkeit, die Sprache und Kultur in jeder Hinsicht zu hüten und zu
fördern, kann nur beigepflichtet werden. Der Freistaat Sachsen nimmt sich
dieser Aufgabe mit hohem Einsatz an.

Die von Ihnen dargestellte Schließung der Mittelschule Crostwitz steht
diesem Anliegen nicht entgegen. Um dieses zu begründen, gestatten Sie eine
etwas ausführlichere Darstellung:
Im Freistaat Sachsen werden bisher insgesamt sechs (zwei im Landkreis
Bautzen und vier im Landkreis Kamenz) sorbische Mit­telschulen betrieben.
Wir unterscheiden zur Zeit (noch) A-Klas-sen = muttersprachliche Klassen und
B-Klassen = Klassen mit Sor­bischunterricht. Für beide Typen gibt es eine
gesonderte Rege­lung in Bezug auf die Unterrichtssprache. (A-Klassen: Ab
Klassenstufe 5 werden die Fächer Sorbisch, Biologie, Geografie, Religion,
Werken, Kunsterziehung, Musik und Geschichte in sorbischer Sprache
unterrichtet. Später kommt noch Gesellschaftskunde dazu. Die anderen Fächer
werden in deutscher Sprache gehalten. B-Klassen: Der Unterricht erfolgt in
Deutsch. Es wird sorbischer Sprachunterricht erteilt.)
In Zukunft soll der Unterricht nach einem neuen Konzept erfolgen, welches
zur Zeit evaluiert wird. (Näheres unter:
http://marvin.sn.schule.de/~ci/download/mv_la_sorbisch.pdf)

Als Besonderheit ist zu vermerken, dass in den sorbischen Mit­telschulen
Ralbitz und Crostwitz (etwa 6 km voneinander ent­fernt) nur A-Klassen
geführt werden. Alle anderen vier Schulen führen beide Klassentypen. Zwei
weitere Sorbische Mittelschulen (mit A- und B-Klassen) sind wiederum 4 bis 8
km von Crostwitz entfernt.

Historisch aus den Polytechnischen Oberschulen der DDR entstan­den, werden
an jedem sorbischen Schulstandort eine sorbische Grundschule und eine
sorbische Mittelschule geführt. An den sor­bischen Mittelschulen melden sich
deshalb nahezu ausschließlich Schüler der örtlichen sorbischen Grundschulen
an (außer Radi­bor) . Dabei ist ein 100-prozentiger Übergang von der
sorbischen Grundschule zur Sorbischen Mittelschule die Regel, da
traditio­nell der Übergang zum Gymnasium erst nach der Klasse sechs er­folgt
(nach der Grundschule besuchen die Schüler in Sachsen ab Klassenstufe 5 die
Mittelschule, in der der Haupt- und Real-schulabschluss angeboten werden
oder das Gymnasium, welches zur Hochschulreife führt).
Der Freistaat Sachsen garantiert den Erhalt der sorbischen Grundschulen auf
Grund der besonderen Bedeutung für den Sprach­erwerb auch dann, wenn die
Schülerzahl geringer ist als 10. Da­mit soll gesichert werden, dass eine
Spracherlernung in den Klassenstufen l bis 4 im heimatlichen sorbischen
Milieu, "vor der Haustür" erfolgen kann. Da ich Ihren Zeilen entnehmen kann,
dass Sie sich mit der Crostwitzer Situation intensiv beschäftigt haben, wird
Ihnen sicher die neu gebaute Grundschule und die unmittelbar anschließend
befindliche Turn- und Mehrzweckhalle gut in Erinnerung sein.

In den vergangenen Schuljahren meldeten sich 17 Schüler für das Schuljahr
2001/2002 und sieben Schüler für das Schuljahr 2002/2003 an der sorbischen
Mittelschule Crostwitz an. Für das Schuljahr 2003/2004 haben sich wiederum
nur sieben Schüler ange­meldet. Auch zukünftig lassen die Schülerzahlen an
der sorbi­schen Grundschule Crostwitz selten erwarten, dass an der
sorbi­schen Mittelschule Crostwitz Klassen mit mehr als 10 Schülern gebildet
werden könnten - bei einem identischen Schulangebot in unmittelbarer Nähe.
Wohlbemerkt handelt es sich hierbei nicht um eine Grundschule, sondern um
eine Schule für Zehn- bis Sechzehn­jährige, die ein gleichartiges sorbisches
Beschulungsangebot im 6 km entfernten Ralbitz auch nutzen können.
Die dortige Schule kann auf Grund der Schülerzahl dem Konzept der
Mittelschule, in den Hauptfächern abschlussbezogen die Klas­sen
differenziert zu unterrichten, besser gerecht werden und auch ein größeres
Angebot sowohl im Wahlpflichtbereich als auch im außerschulischen Bereich
anbieten.

In Zukunft stehen im Bereich des Landkreises Kamenz jährlich etwa 50 Kinder
(für die vier nahe beieinander gelegenen sorbischen Mittelschulen) für die
Sekundarstufe zur Verfügung. Auch die verbleibenden sorbischen
Mittelschulstandorte können nur mit Ausnahmegenehmigungen geführt werden und
haben Einschnitte in ihrem Bildungsangebot und bei zusätzlichen Angeboten
hinzunehmen. Seitens der sorbischen Gemeinden und Verbände konnte aber kein
Vorschlag unterbreitet werden, der dem gravierenden Schü­lerzahlrückgang
Rechnung getragen hätte. Im Ergebnis dessen wur­de an der Schule mit der
geringsten Nachfrage, die sorbische Mittelschule Crostwitz, im Einvernehmen
mit dem für die Schul­netzplanung zuständigen Landkreis Kamenz der
Unterrichtsbetrieb eingestellt.

Die sorbische Mittelschule in Crostwitz wird nicht aus Geldmangel oder bösen
Willen der Staatsregierung geschlossen, sondern auf Grund der dramatischen
Reduzierung der Schülerzahl. Allein seit 1998 mussten im Freistaat Sachsen
insgesamt über 550 Schulen geschlossen werden -  mit der Schule in Crostwitz
ist davon erstmals eine sorbische Schule betroffen. Der besonderen Bedeutung
der Schulen für die Sprachentwicklung geschuldet, geht der Freistaat gerade
in diesem Bereich sehr sensibel vor. An den sorbischen Grundschulen können
im Einzelfall auch Klassen mit weniger als zehn Schülern geführt werden, an
den weiterführenden Schulen kann dieses insbesondere dann nicht akzeptiert
werden, wenn vergleichbare Schulen in der Nachbarschaft vorhanden sind.

Ich bedaure. Ihnen keine andere Antwort übermitteln zu können.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Ihrcke
Ministerialrat

</quote>

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