Participles and the General Valency Hypothesis

Monika Budde monika.budde at TU-BERLIN.DE
Sat Nov 10 16:17:21 UTC 2007


Liebe Kollegen,

die Analyse von Herrn Lieb zeigt noch einmal sehr schön einige 
wesentliche Eigenschaften des unpersönlichen Passivs im Unterschied zu
Konstruktionen mit nicht-realisiertem fakultativem Komplement: Ein
durchschlagendes Argument für eine verbale Kategorie Zustandspassiv und
gegen eine Analyse als Kopulakonstruktion würde nur vorliegen, wenn diese
Konstruktion - wie beim _werden_-Passiv - auf Verben ausgeweitet wird, die
die "normalen" Voraussetzungen für ein Passiv (dir. Obj. im Aktiv) nicht
erfüllen (z.B. Noldas Beispiel (2) [_... aber gearbeitet wird trotzdem_]).
(Das unter (Bem. 5.f.) von Lieb gegebene Beispiel "Gelaufen ist schon ..."
ist für mich in keiner Situation grammatisch, und ob eine solche
Verwendung von _laufen_W in der Sportsprache tatsächlich vorkommt, bliebe
zu überprüfen. Verstehen kann ich eine entsprechende Äußerung nur unter
Voraussetzung eines transitiven Verbs _laufen_W, etwa wie in dem für mich
grammatischen "die 100-m sind schon gelaufen" (i.S.v. "die Sportler haben
die 100-m-Strecke schon gelaufen", nicht zu verwechseln mit der Bedeutung
"die 100-m = der 100-m-Wettbewerb sind schon vorbei".)

In drei Punkten überzeugt mich Liebs Analyse jedoch noch nicht:
1. (zu Punkt 3 in Liebs Beitrag): Die folgenden Beispiele mit
nicht-verbalem Prädikativ sind m.E. ganz analog mit f0-Subjekt zu
analysieren:

(1) heute / jetzt ist zu / offen

D.h. das Beispiel (1') von Herrn Nolda ist m.E. keineswegs eindeutig
ungrammatisch: Den beobachteten Effekt bei (1')  würde ich auf die
Vorfeld-Position des Prädikativs zurückführen.

Damit wird aber die Annahme, daß das Prädikativ in den fraglichen Fällen
ein Vf-Vorkommen ist, nicht mehr gestützt:

2. (zu Bem. 5.b): Ich sehe nach wie vor nicht, warum in der
Kopulakonstruktion eine Vf und nicht eine Adj.form vorkommen soll: In

(2) der heute geöffnete laden

ist m.E. dieselbe Wortbedeutung für das adjektivische Partizip anzusetzen
wie in

(3) heute ist (der laden) geöffnet

Damit sind die zugehörigen semantischen Effekte (s. 4 [Semantik].b in
Liebs Beitrag) nicht auf Kategorieninterpretation, sondern auf Wortbildung
zurückzuführen. Damit entfällt aber die Motivation, die (verbalen)
Partizipien II als Präteritalformen aufzufassen:

3.: "Part.Prät." usw. ist in der Literatur nicht nur als "Partizip
Präteritum", sondern auch als "Partizip des Präteritums" gelesen worden
(z.B. in der Übersetzung von R.E. Kellers Sprachgeschichte), und zwar im
Sinne von "Partizip zum Präteritum", d.h. "auf die Präteritumformen [durch
Wortbildung] bezogenes Partizip". Diese 2. Deutung scheint mir insgesamt -
gerade auch nach den Diskussionen hier - die angemessenste. Wer wie ich
nach wie vor weder für Konstruktionen mit Part. I noch für solche mit Part
II überzeugende Gründe sieht, sie als verbale Konstruktionen aufzufassen,
der kann nur die Part. II als Vf auffassen (und zwar deshalb, weil man
sonst (analytische) Vf annehmen müßte, deren Hauptteil keine Vf ist). Im
Rahmen der IL kann und sollte das Partizip II daher m.E. im Verbparadigma
eine ähnliche Stellung bekommen wie die endungslosen Adj.formen im
Adjektivparadigma: es wird durch eine Kategorisierung beschrieben, die
ausschließlich neutrale Kategorien enthält. D.h. das Part. II wäre genauso
wenig eine Prät.form wie das Part. I eine (verbale) Präs.form ist.

Oder anders gefaßt (auf den Anfang der Diskussionen bezogen): Auch wenn
die morphologischen Strukturierungen, auf die ich bei der Analyse der
Ausgangsbeispiele von A. Nolda zurückgegriffen habe, ursprünglich nicht
für die Behandlung von Partizipialkonstruktionen vorgesehen worden sind,
so schließt das nicht aus, daß sich diese Techniken bei der Behandlung von
Partizipialkonstruktionen gleichwohl als sinnvoll und nützlich erweisen
können.

Viele Grüße
Monika Budde



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