LL-L "Lexicon" 2009.06.14 (03) [DE-NDS]

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Sun Jun 14 21:17:03 UTC 2009


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L O W L A N D S - L - 14 June 2009 - Volume 03
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From: Elsie Zinsser <ezinsser at icon.co.za>
Subject: LL-L "Lexicon" 2009.06.14 (02) [DE-NDS]

Hi all,

Liebe Hannelore, darf ich dabeihinfügen, dass wir ’Dreschmaschine’ auf
Afrikaans ’dorsmasjien’ nennen, obwohl das Gerät natürlich nichts mit
’durst’ zu tun hat.

Gruss,
Elsie Zinsser

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From: M.-L. Lessing <marless at gmx.de>
 Subject: LL-L "Lexicon" 2009.06.14 (02) [DE-NDS]

Liebe Hanne,

das Kapitel, das Du ansprichst, ist ganz wichtig. Es ist wichtig, dass wir
uns klar sind, was wir der plattdeutschen Sprache abfordern *müssen* und was
wir ihr nicht abfordern *dürfen*, um ihr nicht die Luft abzuschnüren.

Wörter wie "Huulbessen" sind eine echte Bereicherung, und Platt ist klasse
darin, Abstraktes durch Griffiges zu ersetzen; aber man darf es nicht darauf
festnageln. Die Suche nach einem pd. Äquivalent für "Computer" hat schon
mehrere erfreuliche Vorschläge gezeitigt, aber dennoch finde ich es völlig
legitim, auch in pd. Texten Computer "Computer" zu nennen. Vorsicht: Das
Finden von "anschaulichen", "griffigen" Äquivalenten kann die Sprache auch
in die Humor-Ecke zurückdrängen, aus der sie sich sowieso nur zaghaft
raustraut!

Es gibt Leute, die von Plattdeutsch verlangen, für alles ein """eigenes"""
Wort zu haben, sonst sei es "nicht echt". Das geht so weit, dass man als
Plattdeutschsprecherin nicht "Auto" sagen darf, denn das ist ja nicht Platt.
Amüsanterweise halten diese Menschen das Wort "Auto" für Hochdeutsch. Was es
natürlich nicht ist, "Automobil" ist griechisch-lateinisch. So empfinden die
das aber gar nicht, und wir auch nicht, wenn wir ehrlich sind; denn das
Automobil wurde schließlich in Deutschland erfunden und ist etwas so richtig
Deutsches :-) Da wird ein Grundmuster erkennbar: Was Hochdeutsch darf, darf
Platt noch lange nicht. Hochdeutsch darf Fremdwörter aufnehmen, sich zu
eigen machen, aber in Platt wird das kritisiert, "das passt nicht", "das
wirkt doch unecht", "das ist doch kein Platt mehr". Vor einiger Zeit gab es
eine Literatin -- ihren Namen habe ich erfolgreich verdrängt --, die
Gedichte von Erich Fried ins Pd. übersetzt hatte. "Die Entmystifizierung des
Sex" hieß das Original, "Mit'n Holthamer op dat söte Geheimnis" die
Übersetzung des Titels, und der Rest war so, wie der Titel verhieß. Nicht
nur war die Ãœbersetzungsarbeit ziemlich eindimensional und tapsig, die
Autorin war auch in die Falle gegangen, möglichst alles "echt plattdeutsch"
sagen zu wollen. Immerhin hat die Autorin Respekt für ihren Mut
verdient, denn Versuuch macht kluuch, man konnte was draus lernen. Aber
was?! Diesen gefloppten Versuch verriss eine Zeitung hier hämetriefend unter
dem Motto "Man kann eben solche Dinge nicht auf Plattdeutsch sagen, dafür
taugt die Sprache nicht!" !!!!!!!!! Wut!!!!!!!!!!!! Genau das kann man
*nicht* daraus lernen. Ebenso könnte man Frieds Originale nehmen und sagen
"Da seht ihrs, man kann sowas nicht auf Hochdeutsch sagen." Denn ist
vielleicht "Entmystifizierung" und "Sex" Hochdeutsch? Naaa...? Ich seh
schon, viele werden sagen: Ja, Hochdeutsch ist das, aber Plattdeutsch ist
das niemals. Ist das nicht ungerecht? Ich schrieb damals einen erbosten
Brief an die Zeitung -- natürlich auf Platt -- des Inhalts, ob sie erwarten,
dass etwas anderes rauskomme, wenn Plattdeutsch wie ein Oldtimer gegen
Hochdeutsch als getunten Ferrari antreten soll? Der Brief wurde als
hochkomisch empfunden und mit Genuss als original plattdeutscher
Humor veröffentlicht.

Andere Puristen gibt es, die nicht mal das Erfinden neuer, plattdeutscher
Wörter zulassen wollen. Wieso muss man auf Pd. von Autos reden? Zur
Hoch-Zeit des Plattdeutschen gab es keine Autos! Für solche Leute ist Platt
natürlich eine mausetote Sprache, nicht mal mangels Sprechern, sondern durch
ihre erstickenden Prinzipien.

Was ich wichtig finde: Platt muss seinen Charakter behalten. Dazu gehören
auch seine spezifischen Talente, etwa die des Anschaulichmachens. Aber nicht
darauf festnageln!!! Platt muss neue Wörter und auch Fremdwörter aufnehmen
dürfen, es muss auch über Abstraktes reden (lernen), über Philosophie und
Politik und auch Bürokratie. Das ist dringend, ja überfällig. Saftige
Neuschöpfungen: ja, aber nur, wenn man sie auch ernst nehmen kann! Hein
Thies befasst sich hier http://www.fehrsgill-sass.marless.de/ mit dem
Sammeln solcher neuer Wörter und freut sich über Mail. Dass er alles auf die
Sass-Schreibweise anpasst, ist eben so. Gibt Schlimmeres. Leben und leben
lassen!

Priorität 1: Platt reden.
Priorität 2: Hochdeutschizismen vermeiden. Wenn's nicht anders geht, Wort
anständig "plätten". Dann weiterreden!!!
Priorität 3: Gute, zeitlose, nachhaltig verwendbare Neuschöpfungen.

Ik knuddel di!

Marlou

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