LL-L "Language politics" 2010.05.30 (01) [DE]

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Sun May 30 18:03:58 UTC 2010


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*L O W L A N D S - L - 30 May 2010 - Volume 01*
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Subject: LL-L "Resources" 2010.05.17 (04) [DE-NDS]



From: Hannelore Hinz <HanneHinz at t-online.de> (17.5.2010):



Seit 1999 ist die "Europäische Charta der Regional- oder Minderheiten
 Sprache" in Deutschland Gesetz. Bund und Länder *übernahmen*
völkerrechtlich
verbindliche Verpflichtungen zum Sprachenschutz, und zwar für das
Friesische, das Sorbische, das Dänische, die Sprache der Sinti und Roma als
Minderheitensprachen sowie für die Regionalsprache Niederdeutsch.



Ich hole gerade mehrere Wochen Rückstand auf, daher hier eine verspätete
Antwort auf diese ältere Nachricht. Meine Bemerkung soll auch keine Kritik
an Hannelore sein, sondern ist als allgemeine Korrektur eines
weitverbreiteten Missverständnisses sein:

Die Charta heißt "Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen". Sie heißt nicht "Europäische Charta der Regional- und
Minderheitensprachen" (der Unterschied ist das "und" bzw. "oder"), wie man
es wohl spontan erwarten würde. Dieser Unterschied ist nicht der Willkür der
Autoren der Charta geschuldet, sondern hat einen Sinn. Es handelt sich im
juristischen Sinne der Charta nicht um die bloße Aneinanderreihung der zwei
Terme "Regionalsprache" und "Minderheitensprache", sondern um einen einzigen
Term "Regional- oder Minderheitensprache".

Um das zu verstehen, muss man die Entstehungsumstände der Charta betrachten.
Sinn der Charta war es, all die Sprachen zu schützen, die in den
Nationalstaaten keine Nationalsprachen waren und daher leicht unter den
Tisch gekehrt wurden. Also Sprachen, die von einer Minderheit der
Bevölkerung gesprochen wurden. "Europäische Charta der Minderheitensprachen"
hätte eigentlich völlig ausgereicht, denn das Wort "Minderheit" impliziert
ja nicht, dass es sich um ethnische Minderheiten handelt. Es können
genausogut Sprachminderheiten gemeint sein (und wären es in diesem Fall
natürlich auch). Manche Länder wie Frankreich etwa vertreten aber
traditionell den Standpunkt, dass es in ihrem Land keine Minderheiten gibt.
Alle Bürger Frankreichs sind nach den Idealen der französischen Revolution
gleich und daher gibt es in Frankreich auch keine "Minderheiten". Darum
musste die Charta so formuliert werden, dass ein Land wie Frankreich
trotzdem zustimmen kann. Also wurde das "regional" eingebaut, als Umweg um
das Wörtchen "Minderheit" herum.

Die Charta selber unterscheidet also nicht zwischen Regionalsprachen und
Minderheitensprachen. Für die Charta ist das alles eins und alle geschützten
Sprachen genießen die gleichen Rechte und laufen unter dem gemeinsamen Term
"Regional- oder Minderheitensprache". Die Unterscheidung
Regionalsprache/Minderheitensprachen findet allein in den Köpfen der
anmeldenden Staaten statt.

Marcus Buck



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