Etymologie-Newsletter 2004.01.

Horst Conrad conrad-horst at t-online.de
Sun Jan 4 17:20:12 UTC 2004


     

Etymologie-Newsletter 2004.01. 

Etymologie, Étymologie, Etymology
Die Lehre von der Wortherkunft 
Etymologie-Portal - Newsletter
(E?)(L?) http://www.etymologie.org/
Die HTML-Version finden Sie auf dem Etymologie-Portal in der Rubrik "Newsletter". 


Inhalt
Begruessung / Feedback / Korrekturen / Vorwort 
Wortgeschichten 
Linktipp 
Buchtipp 
Impressum 



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Begruessung / Feedback / Korrekturen / Vorwort
Liebe Etymologie-Amateure (und Profis), 

ich begruesse Sie zum neuen Etymologie-Newsletter 

Ich hoffe, Sie haben das neue Jahr gut begonnen. 


Das Wort des Monats Januar ist "Kapital/Geld aus einer Sache (heraus)schlagen"
(E1)(L1) http://www.etymologie.org/
Die Wortgeschichte von Christoph Gutknecht ist auf dem Etymologie-Portal in der linken Navigationsleiste unter "Das Wort des Monats auf www.etymologie.org" aufzurufen. 


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Wortgeschichten
(E1)(L1) http://www.wortherkunft.de/
Als Wortgeschichten habe ich mir heute die Familie um die drei Buchstaben 'bis' vorgenommen.
Ausserdem ???. 


bei, -ambi-, ambivalent, Ambiente, Amphibienfahrzeug, Amphietheater, Amphore, Beichte, Beifall, Beil, Bein, beissen, Appell, Beispiel, itineraire bis (W1)
(E?)(L?) http:///
Die drei Buchstaben "bei" bieten einen Aufhänger für einen kleinen Wortausflug.
Zunächst wird "bei" auf eine germ. "bi" = "nahe" bzw. ein got. "bi" = "um ... herum" zurückgeführt. Dieses wiederum soll ein Überbleibsel von idg. "*ambhi" = "um ... herum", "auf beiden Seiten" - durch Wegfall von "am" - sein. "ambi" findet man noch in lat. "ambi", wo es z.B. in "ambivalent" = "zweideutig" oder "Ambiente" = "Umgebung" weiter wirkt. In etwas anderer Form findet man es auch im "Amphibienfahrzeug", dem "zweifach nutzbaren Fahrzeug", im "Amphietheater", in dem die Zuschauer nicht frontal zur Bühne sitzen, sondern "auf beiden Seiten", also letzlich "rundherum" sitzen können. Auch interessant ist die "Amphore", das Gefäß, das man an "zwei" Griffen "tragen" konnte. (Sie müsste eigentlich "amphi-phore" heissen, von griech. "amphi" = "auf beiden Seiten" und griech. "phéro" = "trage".)
Es gäbe sicherlich noch weitere "Beispiele" in dieser Richtung. Deutlich wird jedoch, dass "bei" nahe verwandt mit "bi" = "zwei" ist. Dies ist ja auch nicht verwunderlich. Wenn ein "Etwas" bei einem anderen "Etwas" sein soll, muss es sich ja um zwei Dinge handeln. Aber die paar Beispiele zeigen schon, dass "bei" derart vielgestaltig sein kann, dass man sich zwingen muss, "beim" Thema zu bleiben.
Ich gehe also streng alphabetisch vor.
Da findet man zunächst die "Beichte", das im ahd. noch "bigehan" hiess und sich aus "bi" und einem idg. "*jeha" = "sprechen" zusammensetzt, also etwa "bei jemandem sprechen" bedeutet.
Natürlich gibt es dann Wortbildungen wie "beide" oder "beieinander".
Das nächste interessante Wort ist dann wieder "Beifall", das ursprünglich eigentlich bedeutete, dass jemand einen anderen unterstützte. Heute sagt man dafür "beistehen", früher sagte man jemandem "beifallen" (vor allem in juristischer Sicht). Das Gegenteil, "von jemandem abfallen" = "jemanden im Stich lassen" ist zumindest noch bekannt. Im Laufe der letzten 500 Jahre wurde dann der "Beifall" in der heute gebräuchlichen Bedeutung "Zustimmung", "Applaus" daraus.
Im "Beil" tritt uns "bi" bzw. "bei" in seiner martialischen Variante entgegen. Dieses wird zurückgeführt auf alte Formen wie "bihel" oder "biail" und letztlich auf ein idg. "bheia" = "spalten, teilen", also "entzweischlagen". Das "Beil" ist also ein "Zwei-Teiler".
In ähnlicher Bedeutung, als "schlagen", tritt es auch in "Bein" und "beissen" auf. Beim "Bein" ist man sich zwar nicht ganz einig, aber eine mögliche Wurzel könnte in germ. "beina" = "das vom geschlachteten Tier Abgeschlagene" zu finden sein. Später entwickelte es sich dann zu der heutigen Bezeichnung für die Laufwerkzeuge von Mensch und Tier. Aber denken Sie mal an diesen Zusammenhang, wenn Sie sich über das nächste Hähnchen hermachen und die Kinder auf die "Beilage" verzichten, aber dafür unbedingt ein "Bein" "abhaben" wollen.
Nun findet man auch einen leichten Übergang zu "beissen", das auf idg. "bheid" = "spalten, trennen" zurückgeführt wird.
Als letztes möchte ich dann noch auf das "Beispiel" hinweisen. Dieses war und ist "das dazu Erzählte". Es hat also, "nebenbei" bemerkt, nichts mit "Spiel" zu tun, sondern mit dem heute noch vorhandenen engl. "spell" = "buchstabieren", das früher aber die Bedeutung "Geschichte, Sage" hatte und im "Appell" = "Aufruf" noch hörbar existent ist. (Das verlorengegangene "s" findet man ja auch im "Hotel" (nicht mehr). Im frz. führt man das weggelassene "s" stattdessen als "^" mit und schreibt "hôtel". Aber auch schon die Römer hatten das "s" unterschlagen und das lat. "appellare" = "anrufen, auffordern" gebildet, so dass die Franzosen bei ihrer Rechtschreibreform im 18.Jh. gar nicht auf die Idee kamen "âppeler" zu schreiben.)
Jetzt bin ich zwar schon wieder etwas vom Weg abgekommen, aber es ist eine gute Überleitung zum frz. "bis". Das deutsche "bis" ist ja eine Abkürzung und entstand aus "bei zu" (mhd. 'bi' = 'bei' und 'ze' = 'zu').
Die "Zugabe" ("Beigabe") heisst frz. "bis". In Italien dagegen kann sich der Künstler mit "concedere un bis" für den "Beifall" bedanken. Das lat. "bis" = "zweimal", "wiederholen" kommt sowohl als Anweisung in Notentexten als auch als Aufforderung eine Zugabe zu geben vor.
Autofahrer, die schon in Frankreich unterwegs waren kennen sicherlich auch das frz. "itineraire bis" die "Ausweichstrecke, Umleitung".
(In der Umleitung taucht übrigens der Teil "um" wieder auf, das unser "bei" im Laufe der Zeit verloren hatte. Dabei ist auch interessant, dass der frz. "itinérant" = "qui change d'endroit" ein "Umherziehender", ein "Umherummer" ist. Setzt man beides zusammen, hat man wieder das ursprüngliche idg. "*ambhi" - jetzt als "Umherumweg".) 

Ich hoffe, dass der Text nicht zu viele "itineraire bis" enthält und Sie nicht müde wurden, ihnen zu folgen. 


Kultur, Agrarkultur, Acker, Kult, Kulturbanause, Banause (W?)
(E?)(L?) http://www.forumromanum.org/literature/cato_agriculture.html
(E?)(L?) http://www.judithmathes.de/rom/republik/cato_censorius.htm
Die "Kultur" ist ein Beispiel eines Wortes, das seine bodenständige Herkunft verleugnet. Wer denkt bei diesem Wort schon an die Mühen des Menschen, seine Ernährungsgrundlage zu schaffen. Und dennoch bedeutete das lat. "cultura" soviel wie "Landbau". Von der "Pflege" des Landes kam man dann zur "Esskultur" und damit zur "Pflege" von Körper und Geist. Und nachdem die Lebensgrundlage sichergestellt war, entwickelte sich daraus dann die Bezeichnung für den schöngeistigen Überbau der Gesellschaft. So wurde die "Kultur" "kultiviert".
In Begriffen wie "Zellkultur" oder "Bodenkultur" (auch "Kulturboden") ist die ursprüngliche Bedeutung "colere" = "bebauen", "pflegen" noch zu erkennen.
Die Agrarkultur (von lat. "agrarius" = "den Acker betreffend", lat. "ager" = "Acker") ist demnach worthistorisch gesehen ein "weisser Schimmel". Aber bereits der Römer "Marci Porcii Catonis Censoris" gab einem seiner Werke den Titel "De Agri Cultura" ("Von der Landwirtschaft"). 

Interessant ist, dass der Wortteil "kul" auch im russ. "kulak" = "Großbauer" (im zaristischen Russland) vorkommt. 

Denkbar wäre auch, dass der indische "Kuli", der "Lastträger", der auf den Namen eines Volksstammes zurückgeht, eigentlich "Bauernvolk" oder dergleichen bedeutete. (Allerdings habe ich dazu keinen Hinweis gefunden.) 

Anerkannt ist dagegen die Herkunft von "kulinarisch" von lat. "culina" = "Küche", die ja auch zur Esskultur gehört. 

Auch in der Religion ging es nicht ohne "Pflege". Schliesslich mussten die Götter und die religiösen Bräuche "gepflegt" werden. Die übertriebene "Pflege" bestimmter Rituale wird demnach auch als "Kult" bezeichnet. (Allerdings kommt es immer auf den Standpunkt an, was man als "Kult" und was man als "Religion" bezeichnet.) 

Eine geschichtliche Ungerechtigkeit ist meines Erachtens dem "Kulturbanausen" widerfahren. War doch der griech. "bánausos" der "Handwerker", der auch seinen Teil zur Entwicklung und Pflege der menschlichen "Kultur" beigetragen hat. Und dennoch ist er heute ein Synonym für einen Menschen ohne "kulturelle" Ambitionen. Da mangelt es heute etwas an "Erinnerungskultur". 

Die Agrarkultur hat also sprachlich gesehen einen gesellschaftlichen Aufstieg erfahren, während der Handwerker einen gesellschaftlichen Abstieg hinnehemen musste. 


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(E1)(L1) http://dmoz.org/World/Deutsch/Wissenschaft/Geisteswissenschaften/Sprache_und_Linguistik/Etymologie/
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m-w - Merriam-Webster - word list - Wort-Liste
(E1)(L1) http://www.m-w.com/cgi-bin/mwwod.pl
(E1)(L1) http://www.m-w.com/cgi-bin/wodcalendar.pl
Merriam Webster erklärt seit 10. Februar 1998 täglich ein Wort per Newsletter. Die Wörter können im Archiv nachgeschlagen werden. 

Auf dem "Etymologie-Portal finden sich unter dem Stichwort "Merriam Webster" weitere Links zu Angeboten von Merriam Webster. 
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Hoer findet man auch den Link zu einem Artikel "Wie kommt ein Wort in den Duden?". Dieser gibt sicherlich auch Hinweise, über die Art und Weise wie sprachliche Veränderungen dokumentiert werden. 


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Impressum
Erscheinungsdatum 2004.01 
Titel Etymologie-Newsletter 
ISSN
International Standard Serial Number - ISSN 1610-2320 (10.07.2002) (E-Mail-Version)
- ISSN 1610-3165 (22.07.2002) (Internet-Archiv-Version)
Die Deutsche Bibliothek
weltweites Verzeichnis des ISSN International Centre in Paris
 
Herausgeber
Postanschrift Horst Conrad
Kneippstr.6
D-66482 Zweibrücken 
Newsletter-Provider http://www.domeus.de/ 
E-Mail mailto:conrad-horst at etymologie.info
 
siehe hierzu auch: (E?)(L?) http://www.s-a-ve.com/faq/Anbieterkennzeichnung.htm
(E?)(L?) http://www.presserecht.de/gesetze/mdstv.html - Anbieterkennzeichnung
 
Erscheinungsweise etwa woechentlich die Liste der gesuchten Begriffe auf "www.etymologie.org"; und etwa alle 4 Wochen ein "richtiger" Newsletter 
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Errare humanum est, perseverare diabolocum, corrigere divinum!
Irren ist menschlich, am Irrtum festhalten teuflisch, (sich) korrigieren (koennen) goettlich!

oder 

Humanum fuit errare, diabolocum est per animasitatem in errore manere.
Menschlich ist es zu irren, teuflisch ist es, leidenschaftlich im Irrtum zu verharren.



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