36.1530, Calls: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) - "Sprachlicher Klassismus" (Jrnl)
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Wed May 14 23:05:02 UTC 2025
LINGUIST List: Vol-36-1530. Wed May 14 2025. ISSN: 1069 - 4875.
Subject: 36.1530, Calls: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) - "Sprachlicher Klassismus" (Jrnl)
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Date: 12-May-2025
From: Karina Frick [karina.frick at leuphana.de]
Subject: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) - "Sprachlicher Klassismus" (Jrnl)
Journal: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi)
Issue: Sprachlicher Klassismus
Call Deadline: 30-Jun-2025
Themenheft LiLi – Florian Busch, Karina Frick, Constanze Spieß (Hrsg.)
Sprachlicher Klassismus
Klassismus gehört zu den Diskriminierungsformen, denen sowohl
gesamtgesellschaftlich als auch sozial- und geisteswissenschaftlich
bislang verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden ist
(vgl. Seeck 2022: 1). Klasse bezeichnet dabei soziale Kollektive, die
sich in Formen der Lebensführung und Arbeit gleichen und die zudem
einen ähnlichen Zugang zu verschiedenen Ressourcen – bzw. im Sinne von
Bourdieu (2022 [1972]) Kapitalsorten – teilen (vgl. Reckwitz 2021:
274). Diese strukturellen Gemeinsamkeiten münden in einen
Klassenhabitus, verstanden als die inkorporierten Praktiken, mit denen
Klassenzugehörigkeit und Klassendistinktion sowohl hergestellt als
auch angezeigt werden (vgl. Bourdieu 2022 [1972]: 187). Distinktion
aufgrund unterschiedlicher Verfügbarkeiten von ökonomischen,
kulturellen und sozialen Ressourcen als soziale Ungleichheit und
Machtasymmetrie legt so den Boden für Klassismus als
Diskriminierungsform. Dabei handelt es sich um „einen komplexen, teils
bewussten, teils unbewussten Prozess der Herstellung von
hierarchischen Bewertungssystemen, abgeleitet aus der
Klassenzugehörigkeit oder manchmal auch aus der vermuteten (zum
Beispiel aufgrund von Kleidung, Sprache) Klassenzuschreibung“
(Kemper/Weinbach 2022: 21).
Angesichts der Bedeutung, die soziologische Arbeiten sprachlichen und
kommunikativen Praktiken für die Herstellung von Klassenzugehörigkeit
und klassistischer Diskriminierung beimessen, ist die – insbesondere
im deutschsprachigen Forschungsdiskurs – eher marginale Bearbeitung
des Themas in der Sprachwissenschaft bemerkenswert. Zwar hat bereits
die frühe Soziolinguistik in Anschluss an Bernstein (1964)
klassenspezifischen Sprachgebrauch thematisiert und auch im Zuge einer
sich jüngst formierenden „kritischen Soziolinguistik“ (vgl.
Busch/Flubacher/Spitzmüller i. Ersch.) stehen zunehmend Klasse und
klassistisch diskriminierende Sprachpraktiken im Erkenntnisinteresse –
allerdings sind diese Bemühungen einerseits disziplinär fragmentiert,
ohne dass linguistische Perspektiven auf Klassismus je gebündelt
relevant gesetzt wurden (wie dies z.B. im Vergleich für die soziale
Dimension Gender in Gestalt der Genderlinguistik umgesetzt wurde, vgl.
Günthner/Hüpper/Spieß 2012). Andererseits bleibt die linguistische
Studienlage zu klassistischen Sprachpraktiken vor allem auch vor der
Vergleichsfolie linguistischer Arbeiten zu anderen
Diskriminierungsformen dünn (vgl. etwa Flubacher 2021 zu Sprache und
Rassismus). Im Zuge einer intersektionalen Perspektivierung
diskriminierender sprachlicher und kommunikativer Praktiken (vgl.
Levon 2015; Akbaba/Salzmann-Hoang 2024) möchte dieses Themenheft in
diesem Sinne den analytischen Blick auf klassenbezogene Ungleichheiten
im kommunikativen Alltag schärfen und zu anderen
Diskriminierungsdimensionen in Relation setzen.
Das Themenheft versammelt hierzu Beiträge, die sich anhand der
folgenden drei Themenbereiche und exemplarischen Fragestellungen
ordnen lassen. Dabei können jeweils sowohl Phänomene in den Blick
genommen werden, in denen sprachlicher Klassismus explizit diskursiver
Gegenstand wird, als auch implizitere Formen der diskriminierenden
Indizierung sozialer Klasse.
• Sprachlicher Klassismus im öffentlichen Raum
Wie werden Klasse und Klassismus im öffentlichen Raum sichtbar und
erfahrbar? Wo und wie lassen sich im öffentlichen Raum diskursive
Ausblendungen und Exklusionen von Klasse (z.B. in Form „defensiver
Architektur“) beobachten und in welche Diskurse sind diese Prozesse
eingebettet? Welche Genres in der öffentlichen Sprachlandschaft
indi-zieren Klasse und Klassismus? Welche Gesprächspraktiken und
Gesprächsformationen im öffentlichen Raum werden klassenbezogen
produziert/interpretiert und welche Diskriminierungsformen schließen
sich daran möglicherweise an (vgl. Steen 2020)?
• Sprachlicher Klassismus in Institutionen
Wie werden Klasse und Klassismus in Institutionen sichtbar und
erfahrbar? Welche Diskurse liegen strukturellen Exklusionsmechanismen
in Institutionen zugrunde (vgl. Busch/Frick i. Ersch.)? Inwiefern
fließen Klasse und Klassismus in Machtasymmetrien in institutionellen
Gesprächen ein (z.B. Ärzt:in/Patient:in-, Lehrer:in/Schüler:in-,
Do-zent:in/Student:in-, Chef:in/Mitarbeiter:in-Kommunikation, vgl.
Pick 2020)? Wie spielen sprachlicher Klassismus und
Selektionspraktiken im Verlauf von Bildungsbiographien zusammen? Wie
geht individuelles Spracherleben mit sozialer Mobilität einher (vgl.
Busch 2017)?
• Sprachlicher Klassismus in Medien
Wie werden Klasse und Klassismus in Medien sichtbar und erfahrbar?
Welche stereotypen Darstellungen lassen sich in massenmedialen
Diskursen beobachten (z.B. im sogenannten „Unterschichtsfernsehen“
oder auch in journalistischen Dokumentationen, vgl. Klaus/Röser 2008;
Steinwachs 2015)? Welche Instrumentalisierungen von klassistischen
Klischees lassen sich im politischen Diskurs untersuchen (z.B. die
soziale Persona des ‚Bürgergeldempfängers‘, vgl. Szurawitzki 2012)?
Wie wird sprachliche Variation in digitalen Medien vor der Folie
klassistischer Ideologien produziert und interpretiert? Wie wird die
sprachliche/multimodale Produktion von Klasse kommunikative Ressource
in digitalen Medien (z.B. in Form von Memes oder Stilisierungen in
digitalen Interaktionen)?
Wir freuen uns über theoretische sowie empirische Beiträge aus
Soziolinguistik, Diskurslinguistik, Medienlinguistik, Gesprächsanalyse
und Angewandter Linguistik, die diese Themenbereiche bearbeiten.
Schicken Sie hierzu ein Abstract (300 bis 500 Wörter exklusive
Bibliographie) an karina.frick at leuphana.de bis zum 30.06.2025.
Rückmeldung erhalten Sie bis Ende August. Die Einreichung der finalen
Beiträge erfolgt bis 01. September 2026.
Literaturverzeichnis
Akbaba, Yalız/ Salzmann-Hoang, Nguyen Minh (2024): Intersektionalität
und Sprache. Überlegungen zur Kritik am methodologischen Linguizismus.
In: Zeitschrift für Migrationspädagogische Zweitsprachdidaktik. Online
verfügbar:
https://journals.univie.ac.at/index.php/mpzd/article/view/9058/9167.
Bernstein, Basil (1964): Social class, speech systems and
psycho-therapy. In: British Journal of Sociology 15(1), S. 54–64.
Bourdieu, Pierre (2022 [1972]): Entwurf einer Theorie der Praxis: auf
der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. 6. Auflage.
Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Busch, Brigitta (2017): Expanding the notion of the linguistic
repertoire. On the concept of Spracherleben. The lived experience of
language. In: Applied Linguistics 38(3), S. 340–358.
Busch, Florian/Flubacher, Mi-Cha/Spitzmüller, Jürgen (Hrsg.) (i.
Ersch.): Sprache und soziale Ungleichheit. Wege zu einer kritischen
Soziolinguistik.
Busch, Florian/Frick Karina (i. Ersch.): Soziale Positionierung in
Grammatik-Einführungswerken: Eine framesemantische Analyse
klassistischer Ideologien in linguistischen Beispielsätzen. In: Busch,
Florian/Flubacher Mi-Cha/Spitzmüller, Jürgen. Sprache und soziale
Ungleichheit. Wege zu einer kritischen Soziolinguistik.
Flubacher, Mi-Cha (Hrsg.) (2021): Sprache und Rassismus. Wiener
Linguistische Gazette (WLG) (88).
Günthner, Susanne/Hüpper, Dagmar/Spieß, Constanze (Hrsg.) (2012):
Genderlinguistik. Sprachliche Konstruktionen von Geschlechtsidentität.
Berlin: De Gruyter. https://doi.org/10.1515/9783110272901.
Kemper, Andreas/Weinbach, Heike (2022): Klassismus. Eine Einführung.
5. Auflage. Münster: UNRAST-Verlag.
Klaus, Elisabeth/Röser, Jutta (2008): „Unterschichtenfernsehen“:
Beobachtungen zum Zusammenhang von Medienklassifikationen und sozialer
Ungleichheit. In: Wischermann, Ulla/Thomas, Tanja (Hrg.). Medien —
Diversität — Ungleichheit. Wiesbaden: VS Verlag für
Sozi-alwissenschaften. S. 263–279.
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90860-1_14.
Levon, Erez (2015): Integrating Intersectionality in Language, Gender,
and Sexuality Research. In: Language and Linguistics Compass 9(7), S.
295–308. https://doi.org/10.1111/lnc3.12147.
Pick, Ina (2020): Prekarität im Gespräch. In: Wiener Linguistische
Gazette (WLG) (85), S. 65–100.
Reckwitz, Andreas (2021): Die Gesellschaft der Singularitäten: zum
Strukturwandel der Moderne. 5. Auflage. Berlin: Suhrkamp.
Seeck, Francis (2022): Zugang verwehrt. Keine Chance in der
Klassengesellschaft: wie Klassismus soziale Ungleichheit fördert. 1.
Auflage. Zürich: Atrium Verlag.
Steen, Pamela (2020): Prekarität und Place-Identity. Wie Erwerbslose
in ihren Gesprächen soziale Unsicherheit konstruieren und Agency
kommunikativ aushandeln. In: Wiener Linguistische Gazette (WLG) (85),
S. 25–63.
Steinwachs, Britta (2015): Zwischen Pommesbude und Muskelbank: die
mediale Inszenierung der „Unterschicht“. Münster: Edition Assemblage.
Szurawitzki, Michael (2012): Übergewicht und zwei Kinder = Hartz IV?
Bildlinguistische Überlegungen zur Hartz-IV-Berichterstattung in der
Tagesschau der ARD. Muttersprache 122, S. 298-307.
Linguistic Field(s): Anthropological Linguistics
Applied Linguistics
Discourse Analysis
Sociolinguistics
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