LL-L "Language politics" 2007.06.14 (02) [German]
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Thu Jun 14 21:21:08 UTC 2007
L O W L A N D S - L - 13 June 2007 - Volume 02
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From: jonny <jonny.meibohm at arcor.de>
Subject: LL-L "Language politics" 2007.06.14 (01) [LS]
Beste Lowlanners,
Helge, Utz, Reinhard in special, mit Grüßen an Marcus und Heiko.
All' Eure Argumente verstehe ich und finde sie lobenswert.
Aber- reden wir doch mal Hochdeutsch miteinander!
Zweisprachige Ortsschilder, verfügt von der Obrigkeit? Evtl. gegen den
Willen der Einwohner? Ist sicher, wie ich kürzlich schon schrieb, ein Fanal
gegen die Gleichgültigkeit vieler Menschen in der sprachlichen Region,
'symbolisch', wie Ron schreibt.
Aber auch nur ein weiterer leerer Sektor im Teufelskreis einer sterbenden
Sprache.
Die Alten, die diese Sprache noch beherrschen, haben längst aufgegeben. Die
wenigen Jungen, die noch willens sind, haben kaum eine Chance, die Sprache
zu erlernen.
Aus eigener Erfahrung mit meinem Jüngsten weiß ich, wie schwer es ist, mein
(rudimentäres) Wissen weiter zu reichen. Wir hatten sogar schon die
Regelung, dass ich ihm eine unvermittelte Ohrfeige geben durfte, wenn er in
vereinbarten 'Platt-' zeiten ein Wort Hochdeutsch sprach, aber meist habe i*
ch* die Ohrfeigen bekommen, nach dem Grundsatz: gleiches Recht für alle. Er
hat sogar noch das seltene Glück, Nachbarn und Verwandte in seiner Nähe zu
haben, die sich vornehmlich auf Niederdeutsch unterhalten. Und dennoch-
Verstehen geht recht gut, aber selbst sprechen ist wenig. Es mangelt nicht
an Interesse, aber an jenem sozialen Druck, der *mich* angespornt hat.
Ich beobachte auch die erfreulichen Fortschritte von Heiko und Marcus,
bemerke aber vor allem an ihrer Syntax, dass ihr Denken und Formulieren
stark Hochdeutsch geprägt ist- und so wird es vermutlich bleiben. Woher
sollen sie Gesprächspartner bekommen, wenn nicht auf dem Lande, auf platten
Inseln? Marcus studiert zZt in Oberdeutschland, keine Chance auf verbalen,
'vokalen' niederdeutschen Austausch. Wo wird er nach dem Studium sein Geld
verdienen? Sicher nicht in Kranenburg, fürchte ich.
Heiko lebt in Hamburg, inmitten einer globalisierenden Großstadt. Seine
Kinder werden ihre Zeit auf der Grundschule zusammen mit Nachkommen von
Migranten verbringen, die weder die Sprache ihrer Eltern noch Deutsch
können. Dort herrschen andere Probleme.
Marlou hat ein enormes Sprachgefühl, aber am Ende kein überlebensfähiges,
routiniertes Vokabular.
(Ron, Du bist wohl der Gesegnete als Sprachgenie- von Deiner Sorte gibt's
man nicht allzu viele.)
Also landen wir wohl doch wieder auf dem Lande- inmitten von Ron's geliebtem
Mist- und Jauche-Geruch. Wenn, wenn überhaupt eine Chance fürs Fortbestehen
der Sprache existiert, dann nur hier! Man ist noch *manchmal *unter sich und
lebt noch *zuweilen* im Dunstkreis der Großfamilie. Der Anteil
förderungsintensiver Ausländer- oder Migrantenkinder ist vergleichsweise
gering. Man könnte ohne allzu große Probleme Niederdeutsch als erste
Fremdsprache anbieten- aber man macht es nicht! Ortsschilder sind- verdammt
noch mal- billiger!!
Verdammte Scheiße- Ortsschilder als Opium für's Volk lenken doch nur davon
ab, dass man sich jeden Tag einen Schritt weiter von der Chance entfernt,
die Sprache zu erhalten. Das ist ein Faktum, Leute, denn das schöne deutsche
Sprichwort "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" ist nun mal
wahr. Ich, und ein pädagogisch ausgebildeter Nativer haben angeboten, in den
regionalen Grundschulen Plattdeutsch zu vermitteln. Es gibt sogar einen
Erlass in Niedersachsen, der eine solche Regelung vorschreibt. Ergebnis: wir
bekamen nicht einmal eine Antwort!!!!
Aber- selbst unter sehr günstigen Bedingungen wird Platt weiter verarmen und
sich noch stärker an Hochdeutsch anpassen. Patentplatt wird vielleicht von
wenigen Interessierten erlernbar sein, aber wer lernt schon seine Vokabeln
anständig? Oder gar Idioms, von denen gerade Niederdeutsch in besonderer
Weise lebt? KEINE CHANCE!
Ortsschilder, auf denen der niederdeutsche Name sich vom Hochdeutschen nur
in zwei Buchstaben unterscheidet sind leider ein weiterer Schritt, uns
Plattdeutsche ins Lächerliche, bestenfalls 'Niedliche' zu ziehen. So denken
jedenfalls hier die 'Alten', die allerdings zuweilen auch Gefahr laufen,
sich in einer Märtyrerrolle zu sehen.
Gehöre ich vielleicht schon zu ihnen?
Allerbest!
Jonny Meibohm
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From: R. F. Hahn <sassisch at yahoo.com>
Subject: Language politics
Danke, Jonny.
Also bleibt die Frage diese: "Ist dat Glas halb voll oder halb leer?"
Und das walisische Glas, dass ich erwähnte? Wie das alt- > mittelenglische
Glas stellte es sich schließlich als halb voll heraus, und das trotz ähnlich
fatalistisch und pessimistisch gestimmten Einwänden und trotz der Annahme,
dass nur die Landbevölkerung die sterbende Sprache noch richtig kann (was
die auf puristischem Denken beruhende Ablehnung der unter gegebenen
Umständen unvermeidlichen Sprachentwicklung beinhaltet). Die Jugend in
walisischen Städten kann nun technische Themen fließend auf Walisisch
erörtern und zieht es in vielen Fällen vor, im Gegensatz zur Generation
ihrer Eltern.
Dass es mit Hilfe der "Obrigkeit" geschehen muss, mindert die Nötigkeit
meiner Meinung nach nicht. Das liegt eher am System, am Mangel an
Individual- und Lokalautonomie (oder -freiheit) im Lande.
Wir haben all dies bereits etliche Male erörtert. Wir scheinen immer wieder
auf die selben Argumente zurückzukommen, Argumente, die auf den selben
verhärteten Denkweisen beruhen: das halb leere Glas im Gegensatz zum halb
vollen Glas, also Pessimismus wider Optimismus, or Aufgeben wider Hoffnung.
Kumpelmenten,
Reinhard/Ron
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