LL-L "Phonology" 2011.05.25 (02) [DE-NDS]
Lowlands-L List
lowlands.list at GMAIL.COM
Wed May 25 19:02:37 UTC 2011
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L O W L A N D S - L - 24 May 2011 - Volume 02
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From: Joachim <Osnabryg+Lowlands at googlemail.com> <list at marcusbuck.org>
Subject: LL-L "Phonology" 2011.05.25 (01) [DE-NDS]
Am 24.05.11 20:25, schrieb Marcus Buck:
De Wenker-Koort to "rein" gifft dat hier: <
http://137.248.81.135/diwa/ECW.asp?ID1=466>
Dor is op to sehn, dat de Lüüd ut de Ümgegend von Ossenbrügge mit jemehr
"reen" temlich alleen sünd in Plattdüütschland. Dat is bloot en Randdialekt
von dat "reggen"-Rebeed in Noordwestfalen. De gröttste Deel von
Plattdüütschland hett "rein" ("rain" utspraken). Bloot Pommern hett noch
Formen mit "g" un de süden Deel von de Mark Brannenborg hett ok "reen".
Dat dat wat mit dat hoochdüütsche to doon hett, das is unwohrschienlich. …
Nich allens, wat du ut dien Dialekt nich kennst un wat hoochdüütsch utsütt,
mutt von dat Hoochdüütsche kamen.
Vielen Dank, Marcus,
dass du mir die Augen geöffnet hast, offenbar hatte ich das jahrelang nicht
sehen (hören) wollen, weil ich mich von der Mittelniederdeutschen
Schriftsprache, vom Niederländischen und vom Westfälischen habe blenden
lassen und von der fixen Idee einer sprachlichen Gemeinsamkeit der
"Laagländer" nicht lassen wollte. Nun zeigt sich umgekehrt, dass das
Sächsische Osnabrücks und (Nord-/Ost-)Westfalens allein auf der weiten Flur
Plattdeutschlands dasteht. (Um Missverständnis vorzubeugen: die Schreibung
"reen" steht im Osnabrückisch-Ostwestfälischen für "ree-in" [rˈɛˑɪn], also
diphthongiertes "e/ä", nicht für das Meißnisch-Neuberlinische "renemachen",
wenn letzteres auch durch das niederdeutsche Substrat im Berlinischen
mitbedingt sein kann.)
Natürlich bin ich schon früher darauf gestoßen, dass das
Nordniedersächsische und Mecklenburgische für mich oft ziemlich hochdeutsch
klingen, habe das aber immer auf die mangelnden Fähigkeiten der Sprecher
geschoben, konsistent Niederdeutsch zu sprechen - wegen der allübermächtigen
und allgegenwärtigen Standardsprache.
Ich war also nicht nur mal auf dem Holzweg, sondern schlicht auf dem
falschen Dampfer oder - wenn das zu optimistisch ist - auf dem falschen
Wrack. Höchste Zeit also, dass ich mich vom (nördlichen) Plattdeutschen
Flaggschiff(swrack) verabschiede. Wenn ich in meinem Berliner Plattkring
(hauptsächlich Mecklenburger) was klassisch Westfälisches (etwa Lyra,
Klöntrup) vorlese, heißt es schon mal spontan "Dat klingt aber ɘn beten
Hollands" oder auch "Dat is ja fast ostpreußisch, so wie Marjellken's Jelbe
von't Ee-i [ɛˑɪ]". Vielleicht sollte ich das als Ratschlag nehmen, mit dem
Westfälischen mehr am Niederländischen, Flandrischen anzudocken, anstatt zu
glauben, (auch) im Plattdeutschen beheimatet zu sein.
Oder sollte ich deine Aussage "*ei* ist Umlaut von *ai*" so interpretieren,
dass auch schon Mittelniederdeutsch /ei/ als* 'ai'* zu interpretieren ist?
Also mnd. schon *reien=raien* (tanzen etc.), *rein(e)=rain(e)*
(sauber), *rêdeschap/rêschop
= raideschap/raischop* (Bereitschaft, Barschaft, Gerätschaft etc.), *
rêge=raige* (Reihe, Ordnung) usw.?
Wenn ja, tätst du mir einen großen Dienst, mir verstockten Nordostwestfalen
das auszuargumentieren, es verständlicher, glaubhaft zu machen. Dann würde
ich meinen Fehlhaltung einsehen, bereuen und meine Mitgliedschaft im
plattdeutschen Zirkel ja aufrechterhalten können …
*Allerdings kann ich die gelinkte Wenker-Online-Seite definitiv nicht
handhaben*, trotz ich alle möglichen Fremdsteuerungseingriffe, nach denen
mich *Browser Safari* fragt, ausdrücklich zulasse. Also, falls du die
Möglichkeit hast, *das was du offenbar auf der Karte erkennst* (vielleicht
durch ein Bildschirmfoto?) mir lesbar zu machen, wäre ich sehr dankbar. Auch
aus den beiden Links zu
Reeg: <http://nds.plattmakers.de/index.php?show=mapsm&wid=479&id=520>
Rieg: <http://nds.plattmakers.de/index.php?show=mapsm&wid=3936&id=520>
werde ich nicht recht klug bzw. bin zu blöd, sie so zu handhaben, dass sie
mir als Belege/Illustration für deinen Urteil erkennbar sind.
*Aber ich glaube dir sonst auch so, was du davon berichtest.* Freilich gibt
der Wenker-Atlas die Situation seiner Aufnahmezeit wieder - da war
Niederdeutsch aus der Öffentlichkeit und weitgehend auch aus der
Alltagssprache verschwunden. Und drei bis vierhundert Jahre Hochdeutsche
Dachsprache hatten wahrscheinlich die Niederdeutschen Restanten schon sehr
verändert. Aber selbst wenn man das beiseite lässt, bleibt ja meine These
unwiderlegt, das Mecklenburgische "rain, raigen" für mnd. "rên, reggen" sei
entweder ein (meinethalben auch "autonomer, autochtoner") *Mitvollzug* der
neuhochdeutschen Vokalverschiebung *oder* seine spätere *Übernahme.*
Dass die neuhochdeutsche Vokalverschiebung teilweise gewissermaßen Gotische
Lautungen wieder einführte, war mir sonst schon in etymologischen
Wörterbüchern aufgefallen, aber ich nehme bis jetzt an, dass diese
[ai]-Lautungen nicht für mnd. /ê, ei/ galten.
Ferner schrieb Marcus:
Joachim (mich) zitierend mit:
… in Herrmann-Winters … Lernbuch … zwar nicht als solches, sondern nur in
> der
> Verbform
> "**riehen, riegen, rieden: *reihen, aufreihen, in Reihe bringen"*
> Parallel dazu gibt es im gleichen Buch ein paar Zeilen vorher aber die
> Bastard-Vokabel
> "**reigen:* 1. reihen, aufreihen, in Reihe bringen. - 2. in Ordnung
> kommen*"
>
> Ich neige auch hier wieder zu der Interpretation, dass manchmal ein und
> derselbe Wortstamm im Rest-Platt mal original Niederdeutsch, mal
> verhochdeutscht gebraucht wird und dadurch die Sprache verunklart wird.
>
Dor büst du nu en beten op'n Holtweg. Dor gifft dat en Ünnerscheed in'n
Stamm. "Rieg" kummt von en Woordform mit lang ī 'rīga', "Reeg" von en
Woordform mit en kort i 'riga'.
… merkte Marcus an.
Da weiß ich nun reinweg nicht, was du sagen, belegen willst, Marcus. Wenn du
dazu noch ein, zwei Sätze erläutern könntest … Dass* rii(ge)* und *rên/rein
[rˈɛˑɪn]* zwei verschiedene Stämme sind, brauchst du mir allerdings nicht zu
erklären, das habe ich wenige Zeilen unterhalb des von mir Zitierten selbst
getan:
Joachim am 24.05.11 00:46:
Betonen möchte ich noch, dass die beiden Wörter
"pgm. *rīhan- > *riihe, riige*" (hd. Reihe) und
"as. hrêni > *reen/reyn*" (hd. rein, gänzlich)
etymologisch *zwei verschiedene Paar Schuh* sind. Bei *riige* ist das g
nicht epenthetisch/zugefügt, sondern etymologisch originär, eine Veränderung
des germanischen "h". Bei "reen/reyn/reggen" ist es - ob durch Hiattilgung
oder aus andern Gründen - *hinzugefügt.*
Anders gefragt: Worauf bezieht sich dein Hinweis
"Reeg" von en Woordform mit en kort i 'riga'
und was bedeutet das "reeg" hier auf hochdeutsch?
Egal, ob mir deine Antwort gefällt oder nicht: wenn ich mich schon aus dem
Plattdeutschen verabschiede, würde ich gern klüger als vorher sein.
Met echt-westfœlsken »Goudgaun!«
joachim
Kreimer-de Fries, Osnabrügge => Berlin-Pankow
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