[sw-l] GERMANY...Article published on SignWriting Jan 23, 2005

Valerie Sutton sutton at SIGNWRITING.ORG
Sun Jan 23 03:16:37 UTC 2005


SignWriting List
January 23, 2005

Congratulations to Stefan!!

IN GERMANY....
ARTICLE PUBLISHED ABOUT SIGNWRITING January 23, 2005

DIE WELT Newspaper
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Einziger Kontakt nach draußen

  Die Gebärdensprache hilft Gehörlosen. Eine neue Schrift hilft, sie 
leichter zu erlernen

von Angelika Albert

  Es ist laut im Klassenraum in Osnabrück. Thomas, Eduard, Tamuna, 
Funda, Hanan, Linda und Danny, Kinder zwischen zehn und 16 Jahren, üben 
an dem Text "Ich habe eine rote Zipfelmütze". Heftig gestikulieren die 
Schüler mit ihren Händen, sprechen laut, recht deutlich und beginnen 
dann, gemeinsam zu lesen. Die Kinder brauchen lange für diesen 
einfachen Satz. Denn sie sind gehörlos, auch wenn es für Außenstehende 
nicht leicht zu erkennen ist.

  Taubheit bedeutet für die Kinder ohne intensive Therapiemaßnahmen den 
Verlust jeder Kommunikation. Oftmals bilden Gebärden für sie die 
einzige Brücke zur Außenwelt.

  Die Gebärdensprachen der Gehörlosen sind eigenständige visuelle 
Sprachen. Über die Jahrhunderte hinweg wurden sie von den Gehörlosen 
untereinander entwickelt und ausgebildet. Nicht nur die Betroffenen 
sollten sie erlernen, auch deren Eltern müssen die Deutsche 
Gebärdensprache (DGS) beherrschen, um sich mit ihren Kindern 
austauschen zu können.

  In Osnabrück, im dortigen Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte, 
wird nun eine neue Methode erprobt, die Gehörlosen das Lernen der 
Gebärdensprache und der deutschen Schriftsprache erleichtern soll: die 
"GebärdenSchrift", eine schriftliche Form der Gebärdensprache DGS.

  Stefan Wöhrmann, Diplompsychologe und Studienrat: "Auch Hörende können 
mit Hilfe dieses neuen Schriftsystems die Gebärdensprache effektiver 
erlernen. Gehörlose lernen zudem nicht nur die ,GebärdenSchrift" zu 
lesen, sondern damit auch einfacher die deutsche Sprache zu schreiben." 
Lange galt die Gebärdensprache als eine Sprache ohne alltagstaugliche 
Schriftform. Bis die Amerikanerin Valerie Sutton eine erste 
"GebärdenSchrift" kreierte. Ihr vorrangiges Ziel war es, eine Schrift 
für Tanzbewegungen zu erfinden. Als junge Tänzerin war sie stets darum 
bemüht, Bewegungen so zu notieren, daß die räumlich-dynamischen Aspekte 
der Sprünge und Schritte schnell, präzise und leicht erfaßbar 
abgebildet werden. Später entwickelte sie daraus eine Schrift für 
Gebärdensprachen, das "Sutton SignWriting", auf deutsch 
"GebärdenSchrift". In den letzten 25 Jahren entwickelte sich daraus ein 
Schriftsystem für alle Gebärdensprachen der Welt. In Deutschland wurde 
die "GebärdenSchrift" im September 1999 erstmals eingeführt. In den 
letzten Jahren erfolgten Erweiterungsschritte, insbesondere die 
Entwicklung eines Computerprogramms, mit dem Kinder im Unterricht 
direkt die "GebärdenSchrift" schreiben können. Weltweit ist sie 
inzwischen in 26 Ländern verbreitet.

  Anhand der "GebärdenSchrift"-Dokumente ist es den Schülern 
mittlerweile möglich, im direkten Vergleich zwischen der Lautsprache 
und der Gebärdensprache die deutsche Lautsprache lesen und schreiben zu 
lernen.

  Auch kleine Kinder ab drei Jahren sind bereits in der Lage, die 
bildhaften Darstellungen zu erfassen. "Das Erlernen der 
"GebärdenSchrift" bietet die Chance zum systematischen Vokabeltraining, 
wie wir es von anderen Fremdsprachen-Unterrichtswerken gewohnt sind. 
Die Kinder entwickeln Selbstvertrauen und sind stolz auf ihre 
Leistungen, können Lautsprachkompetenz erwerben und bekommen damit eine 
weitere Chance der Integration in die Welt der Hörenden", erläutert 
Diplompsychologe Wöhrmann.

  Zur Verbesserung der Artikulation der gehörlosen Kinder entwickelte 
der Osnabrücker Lehrer zudem eine eigene Schrift, die Mundbildschrift. 
Sie soll den Lauten der deutschen Lautsprache jeweils spezifische 
Sprechsymbole zuordnen. Diese Mundbildschrift erweist sich nicht nur im 
Artikulationsunterricht, sondern auch auf dem Gebiet der 
Wortschatzerweiterung als ausgesprochen nützlich.

  Dr. Klaus-B. Günther, Professor für Gebärdensprachpädagogik an der 
Humboldt-Universität, Berlin, lobt: "Mit der ,GebärdenSchrift" und der 
ergänzenden Mundbildschrift steht für auditiv nicht erreichbare und 
bilingual, also in Gebärden- und Verbalsprache, unterrichtete gehörlose 
Kinder ein exzeptionelles Förderinstrument zur Verfügung, das ihnen 
eine frühe Verschriftung in ihrer Basissprache Gebärdensprache 
ermöglicht und ihnen zugleich den Zugang zur deutschen Schriftsprache 
erleichtert."

  "Sprechen lernt man nur durch Sprechen", sagt Wöhrmann. Also sollen 
die gehörlosen Kinder bei ihm im Unterricht viel sprechen. Es soll den 
Kindern Spaß machen. Und es funktioniert. Eduard und Ilker können es 
gar nicht abwarten, wie die Geschichte mit der Zipfelmütze weitergeht. 
Neue spannende Geschichten möchten sie lesen, und man sieht es ihnen 
an, daß sie sehr viel Spaß beim Lernen haben.

  Artikel erschienen am 23. Januar 2005
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