LL-L "History" 2007.04.25 (05) [E/LS/German/Latin]

Lowlands-L List lowlands.list at gmail.com
Wed Apr 25 22:32:39 UTC 2007


L O W L A N D S - L  -  23 April 2007 - Volume 05

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From: Karl-Heinz Lorenz <Karl-Heinz.Lorenz at gmx.net>
Subject: LL-L "Language maintanance" 2007.04.19 (04) [LS]

> From: "list at marcusbuck.org" <list at marcusbuck.org>
> Subject: Language maintenance
>
Moin Marcus (Buck) and thank you very much for the link about the history of
LS/Low German:

http://www.kirchner-raddestorf.de/heimat/regional/sitten.htm

The development of LS in the modern times reminds me of Jacqueline
(Bungenberg de Jong) writing in turn some weeks ago, that she misses the
Middle Ages so much.

She's quite right: linguistically the Middle Ages were a kind of paradise,
compared to what happened since then in this more and more fast moving
world.

(BTW: the so called Dark Ages were much brighter as we're always told. Die
Leute hatten einen Glauben und waren nicht so pseudo-aufgeklärt und
orientierungslos wie heute: für die gläubigen Mittelaltermenschen war die
Welt nicht finster, sie war hell. Sie fühlten und glaubten wie Kinder dh für
sie war das Fantastische, Absurde und Unvernünftige ganz „normal": credo
quia absurdum est. Die müssen unglaublich kindisch gewesen, überhaupt nicht
cool. Umweltverschmutzung gab es wohl regional, global sicher nicht. Die
Erde war nicht überbevölkert, die Kriege waren, verglichen mit dem was in
den letzten 200 Jahren passiert ist, ausgesprochene Micky-Maus-Kriege. ...
Trotzdem kann ich mir ein Leben wie damals für mich nicht vorstellen.).

Und: Sie saßen nicht täglich stundenlang vor der Glotze, dem Narrenkastl,
wie man in Bayern und Österreich auch sagt (Obwohl das nicht die
ursprüngliche Bedeutung ist:
http://forum.dict.cc/forum-questions/detail-66530-Narrenkastl.html Irgendwie
ist der Computer auch eine Art Narrenkastl, nicht?). Die Regionalsprachen
waren vollkommen intakt, Schriftsprachen wurden nur als linguae francae
verwendet.

> ... de Krieg mit de Verdrevenen, dat de Dialekten in'n Oosten ganz weg
weren
> un wenn se na'n Westen kemen, de Dialekten dor gliek ok noch
> bedrohden, vun wegen dat de frömmen Lüüd de Inheemschen nödigen
> Hoochdüütsch to snacken.

Das mit den Vertriebenen ist ein wichtiger Punkt. Das trifft auf den ganzen
deutschen Sprachraum zu. Das mit dem Zwang Hochdeutsch zu sprechen, glaub'
ich so auch nicht. Das kam ganz von allein. In München oder Wien etwa sind
die Dialekte heute aus demselben Grund ein Minderheitenprogramm, und das
strahlt auch auf das urbanisierte Umland aus. Ich behaupte, dass die
hochdeutschen Dialekte in 50 bis 100 Jahren nicht mehr gesprochen werden und
dann wirklich tot sind, weil die hochdeutschen Dialekte kaum eine
schriftliche Verankerung haben. So gesehen haben die niederdeutschen
Dialekte die besseren Überlebenschancen.

> Un denn de Kiekschapp.
> De Kiekschapp, dat is en ganz wichtigen Punkt, dat is mi ok för en
> ganze Tiet al kloor worrn.

Das ist der allerwichtigste Punkt, kein Zweifel. Die modernen Medien zeigen,
ob die Regionalsprache überhaupt noch eine Funktion hat. Wenn die darin
nicht vorkommt, dann ist die Regionalsprache schon halb tot und schutzlos
gegen die "Power" einer mehr und mehr in allen Situationen gesprochenen
Schriftsprache. Man kann den Vertriebenen und anderen Zuwanderern keinen
Vorwurf machen, sie haben funktionslose Regionalsprachen vorgefunden. Sie
sind nach München und Hamburg gekommen und es war nicht nötig, bayrisch bzw.
plattdeutsch zu lernen.

Und hier bin ich wieder im Mittelalter, in einem modernen linguistischen
Mittelalter. Also ich meine jetzt die Schweiz. Und irgendwie trifft das auch
auf Luxemburg zu.

Die Schweiz ist eines der modernsten Länder in allen Lebensbereichen,
sprachlich dagegen sind sie ganz genial im Mittelalter geblieben.

Im Radio und im TV wird fast ausschließlich Schweizerdeutsch bzw.
Alemannisch gesprochen. Standarddeutsch ist nur lingua franca dh wird nur
verwendet wenn's absolut notwendig ist, nämlich für überregionale
Nachrichten und Verkehrsdurchsagen. Alles andere, (wie etwa auch politische
Diskussionen) wird im Dialekt abgehandelt. Geschrieben wird dagegen fast nur
nach „Konrad Duden" (seit 1892), wenn auch ohne scharfes „ß".

Die audiovisuellen Medien stützen in der Schweiz die Funktion der
Regionalsprache als Sprechsprache. Wenn vertriebene Deutschsprachige nach
dem Krieg in die Schweiz gekommen sind, dann haben die das Schweizerdeutsche
angenommen. Da führte und führt kein Weg vorbei: wenn du in der Schweiz
leben willst, musst du diesen Dialekt oder diese Sprache lernen, um
dazuzugehören. Es ist auch nicht wichtig, dass man's perfekt kann. Den
Schweizern ist ein Kanaken-Alemannisch lieber als ein perfektes Hochdeutsch.

Ähnlich die Luxemburger: Französisch ist Amtsprache und Gesetzessprache,
Deutsch die Kirchensprache und Sprache der Printmedien, Lëtzebuergesch wird
als die am häufigsten benutzte Sprache im Alltag für's Radio verwendet.
(Habe allerdings auch schon gehört, dass Französisch da immer stärker wird.)

(Ob es außerhalb des deutschen Sprachraums etwas Ähnliches gibt, weiß ich
nicht. Vielleicht in Katalonien?)

Überall sonst im deutschsprachigen Raum ist es so wie du (Marcus) es
beschreibst:

> ...Un wenn een sik dat
> bedinkt: kloor, na de Statistik kiekt de Lüüd jeden Dag twee, dree
> Stünnen Feernsehn. Dat präägt. 'Keen snackt al jeden Dag dree Stünnen
> mit de Öllern oder mit de Navers? Nich veel Lüüd. Dat Feernsehn
> präägt
> de Spraak mehr as de egenen Öllern. Un wenn dat so is: Wie schall dor
> Plattdüütsch bestahn blieven? Kummt ja meist nich vör in Feernsehn.
> Nich mal bi'n NDR. Dor is ok blot een, twee Maal in'e Week Platt to
> sehn, un denn ok blot mit halven Harten. Bruukt de Spraak en
> plattdüütschen Feernseh-Senner? De den ganzen Dag blot Plattdüütsch
> bringt? Schall dat woll wat helpen? Oder is doch al allens to laat,
> wenn de Samstag al anbraken is? ;-)
>
Du liebäugelst also mit dem Schweizer Modell: Den ganzen Dag blot
Plattdüütsch im Fernseher. Das würde funktionieren: die Glotze ruiniert die
Regionalsprachen, sie kann sie aber auch erhalten wie die Schweiz zeigt und
man könnte auch Regionalsprachen wiederbeleben. Schweizer Verhältnisse sind
utopisch: Stell dir vor, das würde für euch bedeuten, ARD, ZDF und NDR nur
auf Platt. Aber wenn es auch nur ein einziges ausschließlich niederdeutsches
Fernsehprogramm gäbe, würde das Wunder bewirken.

Liebe Grüße aus dem Süden,
Karl-Heinz

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From: R. F. Hahn <sassisch at yahoo.com>
Subject: History

Ave, fratro Carole Henrice!

At semper leviter cum equinis teneris! Or, as we'd say, Man jümmers suutje
mit de jungen peyrd'! ("Nice and easy with the young horses!")

Our Karl-Heinz would have us know that the so-called Dark Ages weren't
really that dark, even that they were bright, that people were happily pious
in perhaps naive ways, believing in miracles, and that there was a modicum
of freedom.  While I would agree with him regarding the current
international media and government mind-control that facilitates
warmongering, I am not so sure about the rest.

I consider pseudo-intellectualism a heck of a lot less dangerous than
happily pious belief in whatever doctrine is declared official. (We saw a
glimpse of that in Germany, Austria, Italy and Japan not all that long ago,
well after the Middle Ages.)

I am sure that the spirits of the millions and millions of medieval people
that were tortured, burnt, quartered or whatever horrible thing for
believing differently or not at all would agree with your assessment,
Karl-Heinz.  And we still haven't really come to terms with the
atrociousness of that European past.  Most of us still find the witchhunts
kind of amusing, and it was one of the greatest holocausts, primarily
directed at women, mostly disenfranchised women.  Any type of minority
(ethnic, sexual, physically and mentally handicapped ...) could be
persecuted with impunity by virtually anyone.  And the current pope recently
made that supposedly conciliatory gesture by visiting Turkey as a
representative country of the Islamic world.  But did he apologize and ask
for forgivenness for the Church-instigated Crusades, a centuries-long series
of horrendous holocausts that extremists even now use to incite hatred of
the West?  No, sirrie!  So let's look at the past without sugar-coating it!

That's my two quadrans' worth of reaction, a.k.a. preysterey.

Reinhard/Ron
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