LL-L "Language politics" 2010.06.01 (02) [DE]

Lowlands-L List lowlands.list at GMAIL.COM
Tue Jun 1 16:29:37 UTC 2010


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*L O W L A N D S - L - 01 June 2010 - Volume 02*
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From: Marcus Buck <list at marcusbuck.org>

Subject: LL-L "Language politics" 2010.05.31 (01) [DE-NDS]



From: Hannelore Hinz <HanneHinz at t-online.de>



Ich melde mich noch einmal in dieser Angelegenheit,

also ich beziehe mich auf die gutgemeinte Kritik von Marcus:



Im Arbeitsprogramm *10 Jahre Sprachen-Charta in Deutschland: Praxis und
Perspektiven* Schwerin 14. und 15. Mai 2009 steht geschrieben:

Seit 1999 ist die "Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen" in Deutschland Gesetz. Bund und Länder übernahmen
völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen zum Sprachenschutz, und zwar
für das Friesische, das Sorbische, das

Dänische, die Sprache der Sinti und Roma als Minderheitensprachen sowie für
die *Regionalsprache* *Niederdeutsch.



*Die Experten vom Europarat, Bundesrat u.a. sind nicht über diese
Bezeichnung gestolpert.



Deswegen hab ich auch gleich geschrieben, dass der Vorwurf nicht dir gilt,
sondern dass der Fehler wirklich _sehr_ verbreitet ist ;-) Auch
Sprachaktivisten sind fehlbar. So verbreiten das Institut für niederdeutsche
Sprache und andere Institutionen bis heute die Phrase von den "acht
norddeutschen Bundesländern, in denen Plattdeutsch gesprochen wird", obwohl
es natürlich in Wahrheit _zehn_ Bundesländer (und sieben Provinzen der
Niederlande) sind, denn neben Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein,
Hamburg, Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und
Brandenburg wird auch im Norden der Bundesländer Hessen (nördlich von
Waldeck und Kassel) und Thüringen (im Untereichsfeld) traditionell
Plattdeutsch gesprochen.

Aber gerade weitverbreitete Fehler sollte man ja nicht unkorrigiert stehen
lassen.

Marcus Buck



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From: Marcus Buck <list at marcusbuck.org>

Subject: LL-L "Language politics" 2010.05.15 (01) [DE]



From: jonny <jonny.meibohm at arcor.de>
Subject: LL-L "Language Politics"



Beste Lowlanners,



so stand's gestern in der "Niederelbe-Zeitung":



*Zitat:*



*"Platt in der Behörde*



*Heimatbund will Gesetz zur Erhaltung der Sprache*



*Hannover.* Der niedersächsische Heimatbund will eine Initiative für ein
Gesetz zur Förderung und zum Erhalt der niederdeutschen Sprache starten.
Dafür legte der Verband einen Gesetzentwurf vor, teilte Geschäftsführer
Wolfgang Rüther mit.

Unter anderem soll damit erreicht werden, dass Plattdeutsch als offizielle
Behördensprache in Niedersachsen eingeführt wird. Sollte das Gesetz erlassen
werden, müssten Ministerien, Landkreise und Städte in Niedersachsen nach
Ansicht des Heimatbundes Beauftragte für Plattdeutsch einsetzen. Auch in den
Schulen müssten Ansprechpartner für Platt benannt werden, sagte er."



*Zitat Ende*



1. Frage: wer soll's bezahlen? Land Niedersachsen ist beinahe pleite!



Das ist ein Standardeinwand, der immer gebracht werden kann und gebracht
wird, wenn der Staat für _irgendwas_ Geld ausgeben will. Und die
offensichtliche Standardantwort ist, dass derjenige zahlt, der _sämtliche
anderen_ Ausgaben des Staates auch bezahlt. Nämlich _die Gesellschaft_ (über
ihre gezahlten Steuern). Dass Niedersachsen "beinahe pleite" sei, ist auch
ein Allerwelts-Argument. Die Anzahl der Kommunen, Kreise, Bundesländer
innerhalb Deutschlands, die nicht verschuldet sind, dürfte sehr abzählbar
sein. Und genauso sind die allermeisten Staaten auf der Welt verschuldet.
Wenn das ein Argument wäre, dann dürfte der Staat garnichts mehr machen.

Hamburg wird über 300 Millionen Euro für die Elbphilharmonie ausgeben. Das
deutsche Militärbudget ist 2009 31 Milliarden. Der Bundestag hat ein Budget
von 681 Millionen (über eine Million pro Abgeordnetem). Die
Transrapid-Teststrecke im Emsland verschlingt für einen Jahr Betrieb 12
Millionen. Niedersachsen hat 2008 zum Beispiel 20 Millionen für die
Luftfahrtindustrie investiert, für Unternehmen wie Airbus, die im gleichen
Jahr 1,57 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben. Wenn du wissen willst, wo
Geld herkommen kann: bitte!

Wieviel Geld haben die Bundesländer innerhalb des 20. Jahrhunderts in das
hochdeutsche Bildungssystem gepumpt? Ein System, das einerseits unnötig
ineffektiv war, weil die erste Maßnahme der beginnenden Schulausbildung war,
den Verstand der Kinder aufzubrechen, die Muttersprache zu extrahieren und
ihnen hochdeutsch zu implantieren, um sie dann in der Fremdsprache zu
unterrichten, und das anderseits die niederdeutsche Kultur ausmerzte. 2007
waren das bundesweit 204 Milliarden Euro, davon entfällt circa ein Drittel
auf Niederdeutschland. Wenn man das kaufkraftbereinigt in die Vergangenheit
extrapoliert, dann kommen ein paar Billionen für das hochdeutsche
Bildungssystem zusammen. Wieviel wurde in das plattdeutsche System
investiert? Überhaupt irgendwas? Es gibt das Modellprojekt in der
Grundschule Simonswolde, bei dem eine einzelne Klasse in einigen Fächern
Plattdeutsch unterrichtet wurde. Das läuft jetzt seit 9 Jahren. Man sollte
meinen, nach 9 Jahren müsste man langsam herausgefunden haben, ob der
plattdeutsche Unterricht den Kindern "schadet", aber das Modellprojekt
scheint noch zu keinen Ergebnissen geführt zu haben. Wenn wir also annehmen,
dass dieses Modellprojekt (und andere Plattdeutsch-Maßnahmen im
Bildungssystem) einige Millionen gekostet haben und dies in Relation setzen
zu den Ausgaben für hochdeutsche Bildung, dann kommen wir zu dem Ergebnis,
dass für Hochdeutsch circa 1 Million mal mehr ausgegeben wurde. Lass dir die
Zahl auf der Zunge zergehen. (Insbesondere wenn man bedenkt, dass zu Anfang
des Jahrhunderts Plattdeutsch etwa 20 Millionen Sprecher hatte, während
Hochdeutsch etwa 40 Millionen muttersprachliche Sprecher hatte.)

Da die Plattdeutsch-Beauftragten keine hauptamtlichen Beauftragten sein
werden, sondern höchstens einen Lohnzuschuss für die zusätzliche Aufgabe
bekommen, dürften die Kosten sehr marginal sein. Das Aufkommen an
eingehenden plattdeutschen Schriftsätzen bei den Behörden dürfte so gering
sein, dass die Kosten für deren Bearbeitung quasi null sein dürften. Eine
Pflicht zu plattdeutschen Publikationen der Ämter ist im Gesetz nicht
enthalten, also wird sich in dem Bereich nicht viel ändern.

Niedersachsen hat 1023 Gemeinden, davon 736 in Samtgemeinden, die also keine
eigenen Beauftragten stellen müssten. Samtgemeinden gibt es 137. Macht 423
Beauftragte. Wenn die 50 Euro Lohnzuschlag für die neue Aufgabe bekommen,
ergibt das landesweite jährliche Mehrkosten von 250.000 Euro. Die Zahl 50
Euro ist aus der Luft gegriffen, aber wir können davon ausgehen, dass die
Mehrkosten unter keinen denkbaren Umständen 1 Million übersteigen.

 2. Frage: woher Fachpersonal bekommen?



Die Ämter brauchen kein Fachpersonal, es reicht, wenn der Beauftragte
Sprecher ist. Zusätzliche Fachkenntnisse (relevante Gesetzgebung zur Sprache
etc.) kann dann in Schulungen erworben werden. Solche Schulungen werden
sicher von zum Beispiel dem Institut für niederdeutsche Sprache organisiert
werden, sobald 400 neue Beauftragte ernannt sind. Wenn es in der ganzen
Behörde keinen kompetenten Sprecher gibt, dann kann die Behörde zum Beispiel
in ihrer nächsten Stellenausschreibung Plattdeutsch-Kenntnisse als
verpflichtende Einstellungsvoraussetzung verlangen. Ich denke, das wäre
durchaus eine begrüßenswerte Neuerung. Alternativ kann die Behörde auch
ehrenamtliche Beauftragte außerhalb der Behörde benennen.

Und im Bereich Schule: Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel hat bereits
erfolgreich eine Lehrerfortbildung im Bereich Niederdeutsch durchgeführt.
Ähnliches in Niedersachsen zu organisieren, dürfte kein Problem sein. Darum
geht es ja gerade, die Sprachpflege weiter zu institutionalisieren und aus
der Hobbyecke rauszuholen und offiziell zu machen.

 3. Frage: wer glaubt noch an den Weihnachtsmann?



Ich versteh dich nicht. Du sprichst Plattdeutsch und magst die plattdeutsche
Sprache und trotzdem kommst du bloß mit Polemik, wenn Institutionen ein
bisschen Lobbyarbeit machen.

Marcus Buck



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